Die Kunst, das Leben und eine Vorstrafe

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Matthias Gretzschel

Der Künstler Otto Mühl wird 80 - und die Phoenix-Kulturstiftung widmet ihm eine Ausstellung

Hamburg. Am Donnerstag feiert Otto Mühl seinen 80. Geburtstag. Er wird ihn in Hamburg begehen, in den Räumen der Sammlung Falckenberg/Phoenix-Kulturstiftung, wo an diesem Tag die Vernissage zu seiner Retrospektive stattfinden soll. "Otto Mühl gilt als einer der maßgebenden Protagonisten der Anfang der 60er Jahre entstandenen Gruppe des Wiener Aktionismus", schreibt Falckenberg als Veranstalter in einer Pressemitteilung und erläutert weiter: "Die Aktionisten hatten sich - schon einige Jahre vor entsprechenden Initiativen von Joseph Beuys - zum Ziel gesetzt, Kunst und Leben zu vereinigen."

Im Falle von Mühl hatte dieses Bemühen fatale Folgen, mit denen sich nicht mehr nur Kunstkritiker, sondern auch Polizisten und am Ende die Staatsanwaltschaft zu befassen hatten.

Der Künstler, der am 16. Juni 1925 in Grodnau im Burgenland geboren wurde, hatte die Wiener Kunstszene seit Anfang der 60er Jahre gründlich aufgemischt. Er malte, schuf Skulpturen aus Gerümpel, machte aber vor allem mit "Materialaktionen" von sich reden. 1963 warf er für seine Aktion "Versumpfung einer Venus" einen mit Marmelade und Mehl gefüllten Schrank auf die Straße, um anschließend einen Frauenkörper in den Trümmern zu wälzen. Mühl war radikal und aggressiv, geschmacklos und erfolgreich. Gerade weil seine Kunst alles andere als mehrheitsfähig war, wurden seine Aktionen, bei denen er auch gern mit Kot, Blut und Schweinedärmen hantierte, ebenso verbissen bekämpft wie schwärmerisch umjubelt.

Obwohl sich Mühl auch weiterhin als Maler betätigte, ging es ihm seit den 70er Jahren weit mehr um das Ausleben alternativer Lebensformen. In der von ihm gegründeten Kommune Friedrichshof im Burgenland sollte eine Verbindung von Kunst und Leben möglich werden. Für viele der Menschen, die dort lebten, vor allem für viele Kinder, erwies sich das jedoch als Alptraum: Statt Freiheit herrschte Psychoterror, statt Liebe sexueller Mißbrauch. 1991 wurde Mühl verhaftet, in Eisenstadt vor Gericht gestellt und "wegen Unzucht und Beischlafs mit Minderjährigen, sittlicher Gefährdung von Personen unter 16 Jahren, Vergewaltigung und Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz" zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Für Hans Schroeder-Rozelle, einen von Mühls Ex-Kommunarden, der seine einstige Verblendung nicht begreifen kann, war es unerträglich, daß 2004 eine große Mühl-Ausstellung im Wiener Museum für angewandte Kunst unter dem Titel "Otto Mühl - Das Leben ein Kunstwerk" stehen sollte. Auf Grund der Proteste von Mühl-Kritikern wurde der Titel schließlich geändert und die Darstellung der Aktionen in der Kommune weitgehend reduziert.

Nachdem bekannt wurde, daß die Wiener Schau jetzt auch in Hamburg von der Kulturstiftung Phoenix Art gezeigt werden sollte, hatte sich Schroeder-Rozelle an Harald Falckenberg gewandt und von diesem die Zusicherung erhalten, daß die auf die Kommune bezogenen Aktionen in Hamburg ausgeklammert werden. Auch die "Aschebilder", die Mühl aus der Asche der verbrannten Tagebücher seiner Kommunemitglieder geschaffen hat, werden in der Harburger Ausstellung nicht zu sehen sein.