Die Familie

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Klaus Witzeling

Was bleibt, wenn einer wie Quadflieg vom Theater besessen ist? Er lebt in einem Zwiespalt. Und wenn es hart auf hart kommt, steht die Familie hinten an.

Hamburg. "Meine Welt war das Theater, nicht die Familie", bekennt Will Quadflieg in seinen Erinnerungen "Wir spielen immer"(1976), die er seiner Mutter und seiner zweiten Frau Margaret Jakobs gewidmet hat. "Die Vaterrolle war mir so neu und überraschend, dass ich sie immer im Zwiespalt erlebte."

Am Strand von Capri lernte der damals 19-Jährige ein vier Jahre jüngeres Mädchen aus Schweden kennen: Benita von Vegesack. "Unser erster Sommer auf Capri war die glückliche Begegnung zweier sehr junger Menschen. Zweier für eine endgültige Bindung etwas zu junger Menschen, wie sich später, viel später herausstellte."

Als das erste Kind - Tochter Isolde - zur Welt kam, heiratete Quadflieg 1940 die knabenhafte junge Frau. "Für meine Arbeit interessierte sie sich mehr am Rande. Sie ging in meine Premieren, und damit ließ sie es genug sein. Es konnte nicht ausbleiben, dass ich die Gespräche, die ich bei ihr suchte, bei anderen fand."

Benita brach wegen der Kriegssituation und nach der Geburt weiterer Kinder ihr Medizinstudium ab. Zwei Jahre nach Isolde kamen Lars und am 11. April 1945 in Südschweden dann Christian zur Welt. Er wurde wie sein Vater Schauspieler. Nach dem Krieg lebte die Fanmilie für kurze Zeit in zwei Zimmern in der Hamburger Blumenau als Untermieter des Kollegen Heini Göbel.

Den harten Winter 1946/47 überlebten die Quadfliegs nur, weil sein Vater, der Betriebsdirektor der Gute-Hoffnung-Hütte in Oberhausen war, ihnen Kohlen zuschickte.

Danach ging es 1948 auf Oskar Wälterlins Einladung ans Schauspielhaus Zürich. Ein Einreisevisum erhielt nur der Schauspieler, nicht der Familienvater mit drei Kindern. Frau und Kinder mussten mit Hilfe von Schweizer Freunden über die grüne Grenze geschmuggelt werden.

In dieser Zeit wurden Manuel (1948, er verunglückte mit 33 Jahren) und die Jüngste, Roswitha (1949), geboren.

Nach der Scheidung der Eltern und Quadfliegs Heirat mit der Schauspielerin Margaret Jakobs 1963 ging Roswitha ihren eigenen Weg. Sie machte sich als Grafikerin, Schriftstellerin und Buchgestalterin einen Namen. Das 30. Jubiläum ihrer Rammin-Presse wird gerade mit einer Ausstellung in der Staatsbibliothek gewürdigt. Auch Sohn Christian wollte lange von Versöhnung mit dem Vater nichts wissen. Doch dann traten sie in den vergangenen Jahren gemeinsam auf mit der Lesung von Turgenjews "Väter und Söhne" und rezitierten auf der Bühne - gleichfalls bezeichnend - aus dem Briefwechsel von Thomas Mann und dessen Sohn Klaus.

Margaret Jakobs war nicht der Scheidungsgrund. Sie hat zwar dem verehrten großen Schauspieler bei Auftritten in Bremen zweimal Fliedersträuße in die Garderobe geschickt, worauf Quadflieg, neugierig geworden, ein Rendezvous im Restaurant ihres Vaters vereinbarte. Später standen die beiden gemeinsam auf der Bühne, etwa am Domplatz in Basel als Egmont und Klärchen in Goethes "Egmont". Jakobs steckte mit ihrem politischen Bewusstsein und Engagement den Gatten an. Er wurde 1992 sogar Mitglied in der Umweltorganisation Greenpeace, begleitete sie zu Demonstrationen gegen die Atomkraft und Tierversuche.

Tiere bestimmten auch ihr Privatleben im versteckten Haus bei Osterholz-Scharnbeck. Jakobs besaß Ponys, Gänse schnatterten, Hunde und Katzen belebten das Anwesen.

Im Alter hat Quadflieg zu sich gefunden und diente als hoch verehrter Doyen im Thalia-Ensemble - solange es die Gesundheit erlaubte - seiner größten Leidenschaft: dem Theater.