Historiker Steinbach: Die unsäglichen Fehler im Film "Operation Walküre"

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Peter Steinbach

Stauffenberg-Biograf Peter Hoffmann hat mehrfach bekräftigt, in der Darstellung des Umsturzversuchs von Stauffenberg im Film "Walküre" sei im...

Stauffenberg-Biograf Peter Hoffmann hat mehrfach bekräftigt, in der Darstellung des Umsturzversuchs von Stauffenberg im Film "Walküre" sei im "Grundsätzlichen, beim Fundamentalen, bei den großen Linien alles richtig". Was aber heißt das? Das Attentat fand statt, die Durchführung ist bis auf die Tatsache, dass die Örtlichkeiten nicht korrekt dargestellt sind, gut geschildert - aber "das Grundsätzliche des Widerstands" erschöpft sich keineswegs im Attentat.

Und viele Umstände sind unsäglich falsch. Einige Beispiele: Stauffenberg war nicht der Ersatzmann für General Oster, er arbeitete nicht die Walküre-Pläne aus, holte sich nicht die per Unterschrift besiegelte Zustimmung Adolf Hitlers zu den Walküre-Plänen, er ließ sich nicht von Hitler in die Mystifizierung des germanischen Heldenmythos der Walküren einweisen. Stauffenberg schrieb kein Tagebuch, in dem er seine Motive zum Widerstand darlegte. Er warf sein Glasauge auch nicht in ein Wasserglas, das vor einem der zu überzeugenden und sich sperrenden Mitverschwörer stand, um diesen zu einer geheimen Besprechung auf eine Toilette zu locken. Man deponierte eine Bombe auch nicht in einer Cointreau-Flasche. Stauffenberg flog nicht mit einer JU 52 in das Führerhauptquartier, er ritzte sich nicht am 20. Juli 1944 bei der morgendlichen Rasur die Haut, um Stunden später unter dem Vorwand, sein Hemd zu wechseln, die Bombe zu schärfen. Es gab auch keine wilde Schießerei in den Gängen des Bendlerblocks, sondern einen kurzen Schusswechsel. Major Remer, später einer der führenden Rechtsextremisten, hat den Bendlerblock niemals betreten, um Stauffenberg zu verhaften. Auch die gleichzeitig eingehenden Befehle, Goebbels und Stauffenberg zu verhaften, sind nicht mehr als eine witzige Idee des Dramaturgen.

Wir geben gern zu: Bei einem Thriller zu versuchen, etwas richtigzustellen, wäre kleinlich, geradezu oberlehrerhaft, denn natürlich darf ein Spielfilm manches auf fantastische Weise überhöhen, er darf verschiedene Personen in einer konzentrieren - Historiker sollten dann allerdings, wie es der von der "FAZ" als "Eminenz" der Widerstandsforschung bezeichnete Peter Hoffmann für richtig befindet, den Film auch nicht als "wahr und akkurat" charakterisieren und so eine Authentizität behaupten, die nicht einmal die Filmemacher beanspruchen. Ein Film ist ein Film. Und dieser Film soll Spannung bieten, unterhalten. Die Bestätigung, weitgehend historisch korrekt zu sein, braucht er nicht. Denn nur wenige werden die vielen Namen und Gesprächsfetzen historischen Persönlichkeiten zuordnen können. Ich selbst hatte große Schwierigkeiten, die verwirrende Story zu durchdringen.

Das Goerdeler-Bild des Films schließlich ist verletzend und verantwortungslos, ebenso wie die Charakterisierung des Generals Olbricht geradezu herabwürdigend ist. Olbricht stößt die Walküre-Pläne an, holt Stauffenberg in seinen Bereich und steht nicht nur hinter ihm, sondern stellt Fromm, den wichtigsten Kontrahenten im Bendlerblock, gemeinsam mit den anderen Verschwörern kalt.

Im Film scheinen die Vertreter des bürgerlichen Widerstands zerstritten, ausgebrannt und kraftlos, sodass man sich fragen muss, ob diese alten Männer wirklich das Rad hätten wenden können oder sollen. Zugleich verfehlt der Film aber gerade die Leistung des militärischen Widerstands und Stauffenbergs. Die Attentäter wollten keinen Militärputsch einleiten, sondern Politikern Handlungsspielräume öffnen. Deshalb hatte Stauffenberg enge Kontakte zu Trott, Leber und Reichwein, zu den Kreisauern, die mit Moltke und Yorck das geistige Potenzial des Widerstands ebenso verkörperten wie die christlich geprägten Regimegegner Bonhoeffer, Dohnanyi oder Poelchau.

Das NS-Regime und den Rassen- und Weltanschauungskrieg hatte Stauffenberg durchschaut, aber nicht von Anbeginn. Und wenn Hoffmann nicht müde wird zu betonen, Anlass für Stauffenbergs Entschluss sei die Verfolgung der Juden und die "Endlösung" der Judenfrage gewesen, so teilt er nur seine eigene Meinung mit. Es wäre schön, wenn es so gewesen wäre - aber die Ermordung der Juden ist nur bei wenigen Regimegegnern als ursächliches Handlungsmotiv nachzuweisen. Besonders wichtig sind Moltke, Yorck und Schwerin, der Freisler sagte: "Wegen der vielen Morde ..." Verlässlich ließe sich das nur behaupten, wenn uns belastbare Quellen zu Stauffenbergs Reaktion auf die Nürnberger Gesetze, auf die "Kristallnacht" oder auf die Einsatzgruppenmorde bekannt wären. Daran fehlt es.