Stark gesungen und gespielt: der “Messias“ in der Laeiszhalle

Hamburg. Nein, der Fußball musste nicht völlig draußen bleiben, als in der Laeiszhalle gestern Abend Händels "Messias" gespielt wurde. Ob große, ob kleine Pause - die Zwischenstände sprachen sich unter den interessierten Smartphone-Besitzern rasch herum - sogar ganz ohne störendes Klingeln oder Piepen. Solchermaßen beruhigt, widmete man sich ganz dem, was Mozart 1789 aus Händels Drei-Stunden-Oratorium gemacht hatte. Der richtete das Werk 47 Jahre nach seiner Entstehung - und nach seinen eigenen großen Symphonien, kurz vor "Così", "Zauberflöte" und seinem "Requiem" - neu ein; die Orchesterinstrumente hatten sich weiterentwickelt, man erwartete einen elaborierteren Klang.

Concerto Cöln, spezialisiert auf historische Aufführungspraxis, und der NDR-Chor unter Philipp Ahmann brachten Mozarts Bearbeitung auf die Bühne. Sie erwies sich als interessante Fußnote der Musikgeschichte. Mozart hat gute 30 Minuten herausgekürzt, hat Flöten, Klarinetten, Posaunen hinzugefügt, die barocken Trompetenparts auf den zu seiner Zeit üblichen Stand des Könnens reduziert - vor allem hörbar in den Arien - die Orchesterbegleitung in den Holzbläsern neu und reichhaltiger gesetzt.

Da schillerte dann hier und dort posaunengetragene Requiem-Düsternis durch, und es wurde gut hörbar, auf welchen Schultern Mozart steht, wenn er in der "Zauberflöte" die beiden Geharnischten ihren Choral über einer archaisch fugierten Begleitung singen lässt. Ungewohnt auch die deutschen Texte der Hamburger Fassung Carl Philipp Emanuel Bachs nach Klopstock und Ebeling, auf der Mozarts Auftraggeber Gottfried van Swieten bestanden hatte.

Ahmann gab in den Chorsätzen elegante Tempi vor, der NDR Chor reagierte perfekt, bewies aufs Neue seine herausragenden Qualitäten - ein Fixpunkt der Singkultur in Hamburg. Vorzüglich auch das Solistenquartett; allen vieren konnte man textlich ohne Blick ins Programmheft mühelos folgen: Ruth Ziesak mit glasklarer Höhe, Gerhild Romberger mit einer Tiefe und einem Timbre, das angenehm an Countertenöre erinnerte, der eingesprungene Tenor Jörg Dürmüller und vor allem Hanno Müller-Brachmann, der stimmgewaltig und mit großer Gestaltungskraft auftrat und für die Parade-Arie "Warum entbrennen die Heiden" ein Bravo aus vollstem Herzen bekam.

Dass man heute Händels "Messias" mit historischen Instrumenten in einer seiner vielen eignen Fassungen ebenso gut musizieren kann, ohne auf die hohen Trompeten verzichten zu müssen, die nicht nur dem "Hallelujah" die Krone aufsetzen, macht den Abend mit Mozarts Händel nicht weniger wertvoll. Zeigte er doch, wie lebendig diese Musik über die Generationen weitergegeben wurde. Und bis zur Textzeile "Du gabst uns erhab'nen Sieg" im vorletzten Chor hatte auch die deutsche Nationalmannschaft geregelt, was zu regeln war. Ein rundum geglückter Abend also.