Das minimalistisch-starke Kammerspiel “Jasmin“ beruht auf mehreren wahren Fällen

Nein, ihr Leben sei nicht einfach gewesen, aber sie wolle nicht für verrückt erklärt werden. Neben der Spur wirkt diese Jasmin nicht, gespielt von Anne Schäfer (zuletzt Gast im Schauspielhaus-Ensemble). Gleichwohl ist sie eine Frau, deren Leben brutal aus dem Ruder gelaufen ist. Sie hat die ungeheuerlichste aller Taten begangen und die eigene Tochter umgebracht. Der anschließende Selbstmordversuch misslang. Nun sitzt sie der Psychologin Dr. Feldt gegenüber, gespielt von Wiebke Puls (Ex-Schauspielhaus-Ensemble). Sie soll ihre Schuldfähigkeit prüfen. Und das ist auch schon alles, was über die äußere Handlung von "Jasmin. Die Geschichte einer Depression" zu sagen ist.

Regisseur Jan Fehse, im ersten Leben Kameramann, inszeniert seinen zweiten Spielfilm als Kammerspiel, nach Art von Romuald Karmakars "Der Totmacher" von 1995, und vertraut ganz und gar verdient dem Minimalismus seiner beiden Darstellerinnen. Den realistischen Anstrich, den der Film ohnehin hat, hätte er nicht noch durch eher fernsehästhetische Exkurse bereichern müssen, bei denen wir eine nachdenkliche Frau Feldt auf dem Weg zur Arbeit sehen.

Der Film lebt ganz von Blicken und konzentrierten Sätzen. Er schont seine Hauptdarstellerin nicht und entlässt sie auch nicht in Unschuld. Denn Jasmin hat keine der üblichen Biografien, in denen durch frühe häusliche Gewalt, Bildungsferne, fatale Partnerwahl und Drogen bald alles überdeutlich auf eine Katastrophe zusteuert. Aber zum Äußersten braucht es oft nicht das Schrille, das besonders Medienwirksame. Der geliebte Vater ist früh verstorben, die Mutter eher herzlos, die Männerwahl entwickelte sich problematisch, die Selbstständigkeit scheiterte.

Fehses Drehbuchautor Christian Lyra, der den Film gemeinsam mit Felix Parson auch produziert hat, hat diverse Krankenakten von wahren Fällen zu einem exemplarischen Fall montiert. Ein Fall, der seine Eindringlichkeit in dem Duell dieser beiden starken Frauen entfaltet. Jasmin wandelt sich darin von der Befragten, dem Untersuchungsobjekt, zur Fragenden. Sie möchte wissen, wem sie gegenübersitzt. Der Film zeigt auf sehr sensible Weise, wie beide Frauen eine Verbindung des menschlichen Miteinanders finden. Ein starkes Duell zweier grandioser Protagonistinnen.

Bewertung: empfehlenswert

"Jasmin. Die Geschichte einer Depression" D 2012, 88 Min., ab 16 Jahren, R: Jan Fehse, D: Anne Schäfer, Wiebke Puls, täglich im Koralle-Kino (am Do 20.00, in Anwesenheit von Regisseur und Hauptdarstellerinnen); www.jasmin-derfilm.de