Tom Petty & The Heartbreakers begeisterten in der mit 9000 Zuschauern gefüllten O2 World, Lynyrd Skynyrd im Hamburger Stadtpark.

Hamburg. Manchmal reicht ein schlichter dunkelroter Vorhang. Mehr Bühnendekoration brauchen Tom Petty & The Heartbreakers nicht bei ihrer Show in der komplett bestuhlten O2 World. Auch auf Videoprojektionen verzichtet der Sänger und Gitarrist aus Gainesville/Florida. Die Musik allein reicht aus, um das Auditorium zu begeistern. Ohne Schnickschnack, ohne Showelemente, einfach nur spielen, spielen, spielen. Dieses Rezept funktioniert für das Sextett seit den 70er-Jahren. Damals musizierte Petty gemeinsam mit dem Gitarristen Mike Campbell und dem Keyboarder Benmont Tench in der Band Mudcrutch, aus der die Heartbreakers hervorgingen. In den Anfangstagen teilten sich Mudcrutch die Bühne oft mit einer aufstrebenden Rockband namens Lynyrd Skynyrd. Der Zufall wollte es, dass nun beide am selben Tag in Hamburg gastierten.

Freundschaft wird groß geschrieben bei Tom Petty & The Heartbreakers. Es gibt nicht viele Bands, die in fast 40 Jahren so wenig Besetzungswechsel erlebten. Jüngstes Mitglied ist der schwarze Schlagzeuger Steve Ferrone. Der Trommler mit dem wuchtigen Schlag gehört auch schon seit 18 Jahren dazu. Die Musiker verstehen sich untereinander blind, doch sie sind weit davon entfernt, ein routiniertes Programm abzuspulen. Es geht darum, gemeinsam Energie auf der Bühne freizusetzen und sie über die Rampe zu bringen. Zwar darf Leadgitarrist Campbell, von Petty als sein "Co-Captain" bezeichnet, bei einigen Songs wie "It's Good To Be King" oder "Good Enough" ein paar längere Soli spielen, doch wichtiger ist das Miteinander des Sextetts.

Bei seinem zweistündigen Auftritt, dem ersten in Hamburg seit dem legendären Docks-Konzert im April 1999, hat Petty selbstverständlich seine bekanntesten Nummern wie "I Won't Back Down", "Free Fallin'" und "Refugee" im Programm, aber auch ein paar neuere Titel vom Mojo-Album, das vor zwei Jahren erschienen ist. Doch "Good Enough" und "I Should Have Known It" hätten statt 2010 auch schon 1982 herauskommen können. Petty ist sich in seinem bluesorientierten Gitarrenrock über die Jahrzehnte treu geblieben. Immer wieder nimmt er in sein Liveprogramm Songs von Musikern und Bands auf, die er tief verehrt. In Hamburg covert er "Handle With Care" von den Traveling Wilburys, jener Supergruppe inklusive Bob Dylan und George Harrison, der er selbst von 1988 bis 1990 angehörte, aber auch "Oh Well" von Fleetwood Mac, bei dem Mike Campbell und Scott Thurston ihre Qualitäten auf der Gitarre zeigen können, während sich Petty damit begnügt, den Gesangspart zu übernehmen.

+++ Eine Bande von Jungspunden: Tom Petty in Hamburg +++

Vor dem Zugabenteil mit "Mary Jane's Last Dance" und "American Girl" erheben sich die etwa 9000 Zuschauer von ihren Plätzen, klatschen, jubeln und pfeifen vor Begeisterung, denn hier hat ein Senior der Rockmusik wieder einmal erstklassig abgeliefert. So manche Jungspund-Band kann sich von den Heartbreakers eine Menge abgucken. Spielfreude plus Energie plus Ausstrahlung ergeben ein perfektes Konzert.

Wobei "perfekt" natürlich immer eine Frage der Perspektive ist. Kritiker mögen bemängeln, dass Lynyrd Skynyrd im sehr gut gefüllten Stadtpark das für August anstehende neue Studioalbum nicht einmal erwähnen - geschweige denn ein einziges Stück spielen, das keinen Klassikerstatus genießt. Doch für das überwiegend männliche Ü50-Publikum könnte es gar nicht besser kommen. Es will keine Experimente, keine Weiterentwicklung, sondern sich schlicht der Erinnerung an Zeiten hingeben, als das Haupthaar noch voller und der Bauch noch flacher war. Als das Leben ein wenig mehr nach Freiheit und Abenteuer schmeckte - und Lynyrd Skynyrd das legendäre Live-Doppelalbum "One More From The Road" (1976) herausbrachte, auf dem sich zehn der insgesamt 17 Titel finden, die an diesem Abend höchst druckvoll in die jubelnde Menge gefeuert werden. Wie andernorts bei Tom Petty folgt auch hier Hit auf Hit: "Workin' For The MCA", "Saturday Night Special", "Whiskey Rock-A-Roller", zum Abschluss natürlich "Sweet Home Alabama" und "Free Bird": Alles komplett vorhersehbar und trotzdem ausgesprochen mitreißend. Wird in der O2 World dank Komplettbestuhlung bis zu den Zugaben jedem Bewegungsdrang ein Riegel vorgeschoben, kann im Stadtpark unterm weitgehend blauen Himmel zu den alten Gassenhauern von Beginn an getanzt oder wenigstens der Körperschwerpunkt rhythmisch verlagert werden. Da relativiert sich selbst der sportliche Ticketpreis von knapp 60 Euro.

Zumal schon das Vorprogramm mit dem britischen Power-Trio The Brew für echte Begeisterung gesorgt hatte. The Who, die Stones, die Yardbirds: An hörbaren Einflüssen herrscht kein Mangel, es gibt einen Gitarristen, der wie ein Flummi über die Bühne hopst, einen Schlagzeuger mit Hang zum spektakulären Solo und einen Bassisten, der nicht nur sein Vater sein könnte, sondern tatsächlich ist. Auch hier keine Videoprojektionen, keine Pyrotechnik, "nur" erstklassige Musik, eine Dreiviertelstunde lang. Aber genau auf die, das zeigt dieser Konzertabend eindrücklich, kommt es letztlich an.