Hamburg. Nacktheit auf der Bühne provoziert einerseits Irritation, andererseits voyeuristische Neugier. Die meisten der Zuschauer, die zu Xavier Le Roys "low pieces" auf Kampnagel gekommen waren, wussten wohl, dass sich die Performer ausziehen würden. Aber keiner stellte in den 15 Minuten Gespräch mit ihnen dazu eine Frage. Oder war es wichtiger zu wissen, was sie vorher gegessen hatten?

Jedenfalls bieten Le Roys ästhetische und skulptural wirkende Körperkompositionen keinerlei Anlass zu Aufregung oder obszöner Schaulust. Im Gegenteil: Selten sind Performer zu sehen, die so entspannt, uneitel, mit einer geradezu animalischen Anmut, Konzentration und Selbstverständlichkeit bei sich bleiben. Sie orientierten sich an Bewegung und Verhalten von Tieren, egal ob Katzen, Löwen oder Wasserwesen. Le Roys auf das Minimum, sozusagen auf das kreatürliche Wesen reduzierte Tanztheater stellt Konventionen, Vorurteile und Zuschauererwartungen ans Theater auf den Prüfstand.

Ähnliches versucht auch Constanza Macras mit ihrer Analyse der Klischees gegenüber den "heimatlosen" und "verteufelten" Roma. Allerdings geht sie in ihrem neuen Stück "Open for Everything" aufwendiger, lauter, auch platter und weniger poetisch vor als Le Roy. Sie schöpft aus der Authentizität der Roma-Musiker- und Tänzer, montiert in ihrer bewährten Technik (anrührende) biografische Bekenntnisse mit dynamischen Tanzszenen zwischen Modern, Folk und Hip-Hop. Zwei völlig unterschiedliche, doch zweifellos interessante Konzepte der Live Art zum Start des Festivals.

Live Art Festival bis 9.6., Kampnagel, www.kampnagel.de