Beim Schleswig-Holstein Musik Festival kamen Martin Grubinger & Co. zum Zug

Neumünster. Es war die Matrix des diesjährigen Schleswig-Holstein Musik Festivals, was sich in den vergangenen Tagen in gleich dreifacher Ausfertigung - Flensburg, Neumünster, Hannover - musikalisch über den Norden ergoss, ein Überwältigungsunternehmen in Sachen Präzision. Man nehme Martin Grubinger, seit vielen Jahren Lieblingskind des Festivals und als Ehemann der türkischen Pianistin Ferzan Önder schon mal aus privaten Gründen naheliegender Initiator für den diesjährigen Länderschwerpunkt Türkei, beauftrage den türkischen Pianisten Fazil Say mit einer Komposition für beide (und Ferzans ebenfalls Klavier spielende Zwillingsschwester Ferhan) und setze dem mit einem stadiontauglichen Klassik-Gassenhauer die Krone auf, Carl Orffs "Carmina Burana".

Am vergangenen Freitag war die vorzüglich geölte Musiker-Maschinerie in den auch ausverkauft immer noch potthässlichen Holstenhallen Neumünster zu erleben. Zunächst ertränkten die Grubingers und die Önders mit dem Perkussionisten Leonhard Schmidinger den Klangreichtum von Strawinskys "Sacre du printemps" in der von Martin Grubinger senior geschaffenen Fassung für Schlagzeug und zwei Klaviere.

Says augenzwinkernd "Wiegenlied" genanntes Variationswerk für die jungen Eltern Grubinger/Önder bot kurzweilige Musik zwischen meditativen Gute-Nacht-Klängen und folkloristisch-musikantischem Draufgängertum in rasanten Metren. Die "Carmina Burana" schmiedete Intendant Rolf Beck dann mit eisernen Gesten am Pult zum Werkstück aus einem Guss zusammen. Der Schleswig-Holstein-Festival-Chor und die Limburger Domsingknaben sangen bisweilen ohrenbetäubend kraftvoll, die Sopranistin Simona Saturova brillierte in höchsten Höhen, die die Partie leider auch vom Bariton verlangt. Dominik Köninger stieß da häufiger an Grenzen. Auch die geschliffenste Interpretation dieser Musik kann nicht vergessen machen: Bei Orffs Monumentalwerk ist's vom Neckischen zum Völkischen nur ein Schritt.