In der Inszenierung “Ja, für mich eigentlich auch“ geht es um die Poesie des Alltäglichen

Hamburg. Zuschauen, wie ein Mann aus dem Fenster schaut. Wortlos steht er im Zimmer einer Wohnung an der Isestraße 125. Er geht. Kehrt zurück mit Hocker. Schaut wieder hinaus. Verändert stumm seine Posen. Er öffnet das Fenster. Lachen, Vogelgezwitscher; U-Bahn-Kreischen aus der Ferne. Es klingelt. Licht fällt vom Flur durch eine Glastür aufs blanke Parkett. Undeutliches Stimmengewirr. Erwartet er jemanden? Eine Geliebte? Seinen Mörder?

Eine komische Situation. Intim und zugleich fremd: Für die zwölf Zuschauer auf der Sitztribüne in Michael Kleins privater Wohnung. Wie auch für ihn selbst, den Performer und Regisseur Kleine, der sich bei simplen Alltagshandlungen beobachten lässt, sozusagen ausstellt. "Ja, für mich eigentlich auch", nennt er denn auch die Kunst-Aktion. Sie erweist sich als szenische Bildercollage mit Musik - für geduldige Träumer oder fantasievolle Spanner.

Ist das überhaupt Theater? Klar doch. Aber nicht im konventionellen Sinn. Der Türrahmen ist das "Bühnenportal", der Bilderrahmen. Die Durchgangszimmer werden zum Raum für ein Theater der Bilder, Gedanken, Geräusche, Lichtstimmungen - und für die Mutmaßungen des Zuschauers. Wenn Kleine am Fenster steht und uns den Rücken kehrt, dann ist das ein bekanntes Sehnsuchtsmotiv, von Caspar David Friedrich bis zu Salvador Dalí. Der Mensch steht an der Grenze zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen privatem Refugium und öffentlichem Raum - zwischen Traum und Wirklichkeit.

Ans Theater erinnert dennoch das Päuschen. Es gibt leckere Erdbeerbowle. Im zweiten Teil steht ein Paravant im Raum. Eine Dame entkleidet sich, und Roman Lemberg fantasiert auf dem Clavichord; die flirrenden Töne sind Zaubermusik im Halbdunkel. Seidig klingende Streicheleinheiten für lärmgeplagte Ohren.

Es passiert nicht viel und doch einiges. Es geht wohl um das Abwesende und Verborgene in der Performance. Kein Drama, keine Biografie, keine Erzählung. Die Poesie des Alltäglichen ist Thema, gibt man ihr Raum und Zeit. Kleine spielt den Ball zurück an seinen Gast. Mag er in der "verborgenen Geschichte" entdecken, was er will. Kleine ist Akteur, aber auch Katalysator für die Erinnerungs- und Vorstellungswelten des Zuschauers. In seinem Kopf passiert die wahre Vorstellung.

"Ja, für mich eigentlich auch" 26.-28.5., jeweils 21.15, Isestraße 125, Hauseingang, Karten unter T. 0157/36 56 04 05