Die Dokumentation “I Want To Run“ von Achim Michael Hasenberg porträtiert sieben Extremsportler, die durch ganz Europa laufen.

Für die meisten Menschen ist schon der Lauf eines Marathons eine Herkulesaufgabe, der sie sich - wenn überhaupt - einmal in ihrem Leben stellen. Um jahrzehntelang davon zu zehren und noch ihren Enkeln zu berichten, wie sie sich über die 42,195 Kilometer lange Strecke gekämpft haben. Doch eine Distanz, die Zehntausende in Hamburg, Berlin oder New York oft mit letzter Kraft bewältigen, ist für echte Laufextremisten nicht der Rede wert. Bei ihnen, den Ultras, beginnt die wahre Herausforderung jenseits der 50-Kilometer-Marke, gern darf es auch ein Hunderter, ein 24-Stunden- oder sogar ein Sechs-Tage-Lauf sein.

Klingt verrückt, geradezu übermenschlich? Es geht noch extremer: etwa mit dem Trans-Europalauf, der über 4500 Kilometer von Süditalien bis ans Nordkap führt - in 64 Etappen von bis zu 90 Kilometer Länge. Sieben der insgesamt 65 Teilnehmer an diesem Wettkampf hat Regisseur Achim Michael Hasenberg begleitet, darunter einen Paradiesvogel wie den großflächig tätowierten Profi-Ultraläufer Achim Heukemes und jede Menge "Normalos", darunter die japanische Hausfrau Hiroko Okiyama, den französischen Friseur Stéphane Pélissier und den Augenoptikermeister Robert Wimmer aus Nürnberg. Wimmer wirkt auf den ersten Blick nicht sonderlich extrem, doch wenn er berichtet, dass er auf dem nackten Boden seiner Terrasse schläft und das Vollkornbrot ohne Belag isst, um sich mental für die kommenden Wochen abzuhärten, wird klar, dass dieser Mann den unbedingten Willen hat, den es braucht, um diese Körper und Geist an die Grenzen führenden Strapazen zu überstehen.

Ein wenig schade ist schon, dass es an echten Innenansichten des Transeuropa-Laufs in der Folge mangelt. So erfährt der Zuschauer zwar, dass ein schwedisches Läuferduo sich in einer tiefen Krise befindet, doch was sich genau abspielt und wie es die beiden geschafft haben, schließlich ins Ziel zu kommen, bleibt im Dunkeln. In der Regel ist nur die Konsequenz, im Extremfall der Ausstieg aus dem Rennen, zu sehen, nicht aber der leidvolle Weg, der dahin führte. Doch bei 64 Lauftagen und einem Läuferfeld, das sich weit auseinanderzieht, war das wohl kaum anders möglich. Beeindruckende Bilder gibt es trotzdem en masse, auch von Joachim Hauser, verheiratet, zwei Kinder, der seit 15 Jahren an Multipler Sklerose leidet und den Ultralangstreckenlauf gezielt zum Muskelaufbau einsetzt. Dass er es als einer der Langsamsten tatsächlich bis ans Nordkap schafft, ist allerdings kein Wunder - sondern Ergebnis einer mentalen Stärke, ohne die jeder noch so große Trainingsumfang wertlos bleibt.

Bewertung: empfehlenswert

"I Want To Run" D 2012, 89 Min., o. A., R: Achim Michael Hasenberg, täglich außer Di/Do im Passage; www.zorrofilm.de