“Moonrise Kingdom“ startet am Donnerstag in den Kinos. Regisseur Wes Anderson über Zufälle am Set, gestörte Kinder und Musik in seinem Film.

Cannes. Man merkt es seinen Filmen an. Wes Anderson, der mit "Moonrise Kingdom" in diesem Jahr die Festspiele in Cannes eröffnet, hat früher mal Philosophie studiert. Oft sind die Personen, die in seinen Filmen spielen, irgendwie auf der Suche. Und manchmal, wie in "Moonrise Kingdom", finden sie mit zwölf Jahren schon die ganz große Liebe.

Hamburger Abendblatt: Was stand ganz am Anfang von "Moonrise Kingdom" - eine Insel? Zwei Zwölfjährige, die sich ineinander verlieben?

Wes Anderson: Getroffen. Genau diese beiden Ideen.

Oh!

Anderson: Eine Insel, die ich in den vergangenen 15 Jahren immer wieder besucht habe, war die Inspiration. Und das Gefühl einer Liebe, das zwei Zwölfjährige völlig überwältigt.

Dabei spielt Musik eine wichtige Rolle, um ihre Gefühle zu transportieren. Jeder "Moonrise"-Charakter scheint seine eigene Musik zu haben, die Kinder zum Beispiel haben Françoise Hardy und Benjamin Britten ...

Anderson: Britten war von Anfang an da. Zuerst habe ich erwogen, den ganzen Film mit seiner Musik zu füllen. Dann kam ich auf Françoise Hardy, und die Szene, in der die Kinder am Strand zu ihrer Platte tanzen, ist für mich die Schlüsselszene des ganzen Films.

Françoise Hardy kam im Übrigen aus einer sehr gestörten Familie.

Anderson: Das wusste ich gar nicht.

Eine der beiden, Suzy, findet einen Ratgeber ihrer Eltern mit dem Titel "Wie gehe ich mit einem sehr gestörten Kind um". Sie selbst haben zu Hause auch mal ein Buch mit einem ähnlichen Titel gefunden ...

Anderson: Ja, ja, das ist schon richtig. Aber reden wir nicht so viel darüber. Es war in dem Haus meines Vaters und meiner Stiefmutter. Wer weiß, wem das Buch gehört hat.

Ihre Filme sind voller altmodischer Gadgets. Wie sieht es bei Ihnen daheim aus? Jede Menge Plattenspieler und Plakate?

Anderson: Nein, eigentlich nicht. Ich besitze keinen Plattenspieler, eher solch elektronisches Zeug (zeigt auf das Interviewaufnahmegerät). Aber in einem Film sollte man Dinge sehen, die sich bewegen, und so ist ein Plattenspieler gerade richtig. Mein Apartment in New York ist viel weniger bunt als meine Filme. Der Farbton dort geht eher in diese Richtung (zeigt auf sein beigefarbenes Jackett).

Eine der famosesten Szenen in "Moonrise" kommt kurz vor der Heiratszeremonie. Der Zeremonienmeister schickt Sam und Suzy weg, sie sollen sich die Sache noch mal überlegen, und dann sieht man, wie sie tuscheln, aber man hört nur einen Trampolinspringer, der direkt neben ihnen übt. War die Szene so vorgesehen?

Anderson: Ursprünglich ja. Dann habe ich doch einen Dialog für die beiden geschrieben - ihn aber wieder rausgeworfen. Jared Gillman und Kara Hayward, also Suzy und Sam, kannten diesen Dialog allerdings. Was sie zueinander gesagt haben, als wir die Szene filmten, weiß ich gar nicht. Vielleicht haben sie etwas erfunden. Ich war zu weit weg.

Robert Altman hat gesagt, er warte auf Zufälle, die beim Drehen passieren - und behalte einige davon im fertigen Film.

Anderson: Altman besaß eine einzigartige Drehweise, die darauf ausgerichtet war, solche Zufälle einzufangen: Jeder Darsteller hatte ein Mikrofon, die Kamera wanderte umher. Wenn wir fünf Aufnahmen derselben Szene bei Altman sehen könnten, würden wir fünf völlig verschiedene Versionen finden. Ich habe kein solches System. Aber ich bin sehr offen dafür, dass etwas Ungeplantes geschieht und die Szene spontaner wirkt. Das geschieht ziemlich oft. Wovon man träumt, ist der Moment, in dem ein Schmetterling vor die Kamera fliegt, auf der Hand des Schauspielers landet - und der weiterspielt.

Ist Altman ein Vorbild? Gibt es für Sie überhaupt eines?

Anderson: Es gibt Regisseure, deren Arbeitsweise mir sehr nahe ist. Pedro Almodóvar zum Beispiel, der Filme genauso macht, wie er fühlt, und der in seinem Land verwurzelt ist. Die Gebrüder Coen sind genauso. Oder Ingmar Bergman, der Jahr für Jahr, Film auf Film seine eigenen Geschichten gedreht hat. Das bewundere ich.

Welche Pläne haben Sie nun?

Anderson: Ich würde gern in Europa drehen.

Da könnten Sie sich mit Woody Allen zusammentun.

Anderson: Wo macht der gerade Station?

Der hat gerade in Rom gedreht.

Anderson: Ach, Rom! Wo ich hingehe, hat viel mit Steuerbegünstigungen und solchem Zeug zu tun.