Kleinkunstpreisträgerin Christine Prayon gastiert morgen im Polittbüro - nach durchaus schwierigen Zeiten

Polittbüro. Eine First Lady ist in Hamburg auch nicht alle Tage zu sehen. Aber wenn sie dann nur vor acht, zwölf oder 20 Zuschauern an Orten wie dem Eidelstedter Bürgerhaus, ella-Kulturhaus in Langenhorn oder in der Zinnschmelze in Barmbek auftritt, kommt nicht ganz so leicht Glanz in die Hütte. Carla Bruni hat dort dennoch gastiert. Die Angetraute Nicolas Sarkozys war zwar "nur" eine Parodie Christine Prayons, doch die Kabarettistin möchte diese Auftritte nicht missen. "Es war teilweise absurd, vor so wenigen Menschen zu spielen, aber es ist gut, dass Hamburg diese kleinen Bühnen hat." Erst etwas mehr als zwei Jahre liegen diese Gastspiele zurück.

Seitdem hat sich für Christine Prayon einiges getan. "Seit geraumer Zeit sitzen mehr und mehr Leute im Saal", hat die gebürtige Bonnerin registriert. Längst gilt Prayon nicht mehr nur als Geheimtipp in der Kleinkunstszene. Ein Grund ist ihre Fernsehpräsenz: In der NDR-Satire-Sendung "Intensiv-Station" wirkt Prayon seit 2011 ebenso regelmäßig mit wie in der ZDF-Politcomedy "heute-show". Dort gibt sie als Außenreporterin Birte Schneider dem Moderator Oliver Welke schon mal ordentlich Kontra. "Die Figur war ursprünglich eine Total-Emanze, es wurde aber noch ein bisschen daran gearbeitet", erzählt sie, die dort jetzt als "Fundamental-Realistin" mitredet.

Nicht reinreden lässt sich die Künstlerin aus Stuttgart - Prayons Parodien auf die längst ausrangierte schwäbische CDU-Verkehrsministerin Tanja Gönner zählten zu den heiteren Höhepunkten der S21-Demos - in ihr erstes Soloprogramm. Den Titel "Die Diplom-Animatöse" hat sie bewusst gewählt. Animation als solche sei keine große Kunst, ein Diplom indes eine Auszeichnung. "Heute will doch jeder erst mal sich und etwas verkaufen, ohne dass es zwingend gut ist", sagt Prayon.

Ihre Titelfigur erlaubt sich einiges, erzählt schlechte Witze, führt in der Reihe "Neue Deutsche Lyrik" die Originaltexte eines Mario Barth ad absurdum und entblättert sich wie ein Travestie-Künstler am Ende seines Auftritts. Mit dem Unterschied, dass Prayon das zur Demontage überspitzt.

Manche mag das irritieren, überraschend ist es in jedem Fall. Und insgesamt so überzeugend, dass sie für ihr Solodebüt nicht nur den Förderpreis beim Deutschen Kleinkunstpreis in Mainz bekommen hat, sondern im Juni auch den Jury-Preis beim Bonner Prix Pantheon erhalten wird. "Ich schreibe meine Texte nicht, damit sie ein Hit werden", versichert die 38-Jährige.

"Was will ich erzählen? Und mit welchen Mitteln?" Diese Fragen stellt sich Christine Prayon. Zugute kommt der Kabarettistin ihr vierjähriges Schauspielstudium an der Bayerischen Theaterakademie in München. "Es hilft mir, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren." Sie habe jetzt, anders als bei Theaterstücken, "die vierte Wand weggelassen". Stattdessen spielt Prayon immer auch mit dem Publikum. "Was regt mich auf?", fragt sich die Kabarettistin, wenn sie zu Hause vor einem leeren Blatt Papier sitzt. Und wie kann sie ihre Gedanken zu einer Nummer ausbauen?

"Meine Arbeit als politische Kabarettistin hat viel mit Subversion zu tun, weniger mit tagespolitischem Bezug", erläutert sie. Auch das macht sie zu einer der vielseitigsten Vertreterinnen der jüngeren deutschen Kabarett-Generation. Sie will nicht belehren, aber anregen bei ihrem Spaß, der ein absurder Spiegel der Gesellschaft ist.

Bis der entsteht, oft in einem Wechsel zwischen Komik und Tragik, bedeutet das für Prayon viel Arbeit, Überwindung von Selbstzweifeln und auch Ängsten. Wird sie gebucht? Und kann sie auch im nächsten Monat ihre Miete zahlen? Solche Fragen haben Christine Prayon in der Vergangenheit beschäftigt. Auch als sich ihre vielversprechenden Kabarettduos Top Sigrid und Bleckonweit auflösten. In denen hatte sie 2006 und 2010 mit satirisch umgesetzten Themen wie Hartz IV und Rassismus im Alltag vergebliche Anläufe auf den Hamburger Comedy-Pokal genommen. "Ich habe den Wettbewerb vor allem als Plattform gesehen, um auch in Hamburg Fuß zu fassen", sagt sie.

Deshalb agiert sie nach ihrem morgigen Gastspiel im Polittbüro Ende September noch mal an zwei kleineren Orten, im Goldbekhaus und im Kulturhaus Eppendorf. Carla Bruni wird sich auch dort die Ehre geben - als Teil von Prayons Soloprogramm. "Sie ist jetzt mit François Hollande verheiratet", ergänzt die Kabarettistin lächelnd. Christine Prayon hat zwar ihre Grundsätze, geht aber auch mit der Zeit.

"Die Diplom-Animatöse" Do 24.5., 20.00, Polittbüro (U/S Hbf.), Steindamm 45, Karten zu 15,-/erm. 10,-: T. 28 05 54 67; www.polittbuero.de

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