Lotto King Karl eröffnet vor 4000 Fans die Freiluftsaison im Stadtpark - und auf einmal ist Sommer in Hamburg

Hamburg. Es herrscht Heimspielstimmung. Wenn man nicht zumindest einen selbst gestrickten Pulswärmer in den Vereinsfarben des HSV trägt, kommt man sich am Freitag im Stadtpark reichlich fehl am Platz vor. Mindestens zweimal im Jahr - zum Auftakt und Abschluss der Open-Air-Saison - wird die grüne Bühne zur blau-weißen Heimstatt. Mehr Trikots und Fandevotionalien als bei einem Konzert von Lotto King Karl dürfte man wohl nur im Stadion zu Gesicht bekommen.

Viele der 4000 Menschen im randvollen Rund sind mit Kind und Kegel angereist. Grillwurst und Bier finden, dem frühlingshaften Abend sei Dank, reißenden Absatz. Nebenbei versuchen freundliche junge Damen, einen dazu zu überreden, Zuschauer bei Shows des NDR oder Abonnent eines abstrusen Services zu werden, der kostenlose Anrufe von Lotto King Karl verspricht.

Erstaunlicher als die geschäftigen Umtriebe ist aber der Frontmann der Vorgruppe Maggers United. Hört man ihm und seinen Ansichten über Frauen zu, könnte man glatt vergessen, dass wir das Jahr 2012 schreiben - sein blaues Auge kommentiert er mit "Ihr solltet mal meine Alte sehen", zum Lächeln eines Mädchens in der ersten Reihe fällt ihm "Ruf mich an, wenn du 18 bist" ein.

Der Ausflug in die tiefsten Niederungen des Chauvinismus währt glücklicherweise nur kurz. Wären Fans des FC St. Pauli da, sogar sie wünschten sich in diesem Moment "Hamburg, meine Perle" auf die Bühne.

Selbst das Wetter scheint den planmäßigen Wechsel im gesungenen Sturm zu befürworten, Lotto wird von der Abendsonne in warmes Licht getaucht. Den Anfang bekommen allerdings nicht alle mit: Während "Mann" auf dem Herrenklo noch damit beschäftigt ist, mit Inbrunst über die wenig geliebte braun-weiße Konkurrenz zu lästern, steht "Frau" nebenan in einer schier endlosen Schlange. Doch ausgefallene Toiletten vermögen die Stimmung nicht zu schmälern. Die Hamburger "Jungs" und "Deerns" sind jedenfalls mit Verve dabei, Lokalpatriotismus und Fußballbegeisterung auszuleben.

Der aus Stadien rund um den Globus bekannte Basslauf der White Stripes - "Ooooo-o-o-o-o-oooo-ooooo" - wird genauso genüsslich zelebriert wie die Antwort auf die Liedzeile "Wer wird deutscher Meister?" Es gibt zwar Menschen, die das anders sehen, aber von denen ist keiner an diesem Abend im Stadtpark.

Während Lotto davon singt, dass ohne "Fußball und Dosenbier" alles noch viel schlimmer wäre, diskutieren tätowierte Muskelmänner mit den Ordnern, knutschen Pärchen, brummeln Hungrige darüber, dass die Portion Pommes durchaus ein bisschen größer hätte ausfallen können. Die kernige Männergruppe fällt begeistert in die "Hermann, Hermann"-Rufe ein, verkippt beinahe den eben besorgten Schnaps, als der ehemalige HSV-Masseur Hermann Rieger mit einer fast echten Meisterschafts-Schale auf die Bühne kommt.

Ein Konzert von Lotto King Karl, das ist wie "Finale dahoam", Freibier und die große Liebe zusammen: für einen Abend, für die Fans des HSV.