Unmut über deutliche Männerdominanz beim Henri-Nannen-Preis

Hamburg. Der Unmut über die Verleihung der Henri-Nannen-Preise am Freitag im Schauspielhaus geht in die nächste Runde. Ob es angemessen oder kleinlich war, dass drei Redakteure der "Süddeutschen Zeitung", unter ihnen Hans Leyendecker, ihren Preis nicht angenommen hatten, weil sie ihn nicht mit Kollegen der "Bild" teilen mochten, ist dabei nicht das einzige Thema. Eine Reihe auch prominenter Journalistinnen formuliert ihren Ärger über einen Abend, den "Spiegel"-Redakteurin Annette Bruhns als "Affront" bezeichnet, in Anspielung darauf, dass sich hier "Männer quasi die Preise gegenseitig vergeben" hätten, wie jüngst beim Filmfestival in Cannes, bei dem kein Film einer Regisseurin nominiert wurde: "In Cannes sind die Frauen für die Dekolletés da, beim Henri für die schlanke Silhouette." Bruhns kritisiert den Frauenmangel in Jury und Vorjury und macht den Umstand dafür mitverantwortlich, dass bei der Vergabe ausschließlich Männer bedacht wurden.

Dekorativ am Bühnenrand saßen Frauen wie die für ihren "Spiegel"-Essay über die Freiheit im Internet nominierte Publizistin Miriam Meckel oder die Reporterin Undine Zimmer, was Meckel süffisant kommentiert: "Immerhin haben es meine Beine in die erste Reihe geschafft ..."

Die Männerdominanz fiel auch dem britischen Journalisten Nick Davies auf, der für seine Verdienste um die Pressefreiheit ausgezeichnet wurde: "Es war so, als gäbe es gar keine Frauen im deutschen Journalismus", sagt er. "Ich denke, was hier offenbar passiert, ist, dass die deutschen Medien sich dem Zugang zu Können und Talent verweigern, einfach weil man offenbar nicht wahrhaben will, was Frauen können." Die Initiative "ProQuote", die eine 30-Prozent-Quote in der Führungsebene der Medienbranche fordert, kritisierte die Umstände und Voraussetzungen der Verleihung ebenfalls. Dass die Geschlechterverhältnisse in Vorjury und Jury sowie unter den Nominierten und Preisträgern deutlich von Männern dominiert wurden, kommentierte die Initiative auf ihrer Website ironisch: "Preiswürdige Qualität ist männlich, und zwar zu 100 Prozent." Eine Quote für Preisträger wurde übrigens nicht gefordert - wohl aber für die Gremien, die darüber entscheiden.