Das Debütalbum der Hamburger Band Sleeping Policemen ist auf dem Markt. Rick McPhail hat es produziert. Sound erinnert an die Beatles.

Hamburg. Durch den Clasenhof, der jetzt nach Feierabend ziemlich verlassen ist, und dann durch die hellblaue Tür. Die Treppe hoch, sie ist aus Stein und so schmucklos wie die Wände des Hinterhauses. Auf dem Briefkasten stehen sieben Namen. Einer davon lautet Alex Jedzinsky. Der macht uns nach Betätigung der Klingel Marke anno dunnemals auf, wir sind jetzt in der Werkstatt. Sie gehört zu einer riesigen Wohnung, in der Jedzinsky mit seiner WG lebt. Wir sind heute hier, um mit ihm und der Popband Sleeping Policemen Musik zu hören. Auf Vinyl.

In dieser Werkstatt, die aus milchigen Fensterscheiben auf Ottenser Mietwohnungen blickt, steht ein Plattenspieler. Man könnte ihn glatt übersehen, weil schwere Werkbänke und unhandliches Gerät, weil Regale und Kissen (in manchen von ihnen Werkzeug, in anderen Bier) und ein goldfarbenes Schlagzeug dann doch eher die Blickfänger in dem großzügig bemessenen Funktionsraum sind. Der Plattenspieler wartet in einer Ecke des Raums, in dem ein betagtes Sofa und ebensolche Sessel und Stühle stehen. Während man gerade darüber nachdenkt, ob man das Arrangement gemütlich finden soll, legt einer "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" auf. Spätestens da lenkt nichts mehr von der Musik ab: von Teenage Fanclub, The Shins, Brideshead, Real Estate. Alles Bands im Geiste der Beatles, also der Band, die den Pop erfunden hat. Die Sleeping Policemen, bestehend aus den andächtig um ein gemächlich drehendes Musikabspielgerät versammelten Musikern Hendrik Böhne, Jonas Danielowski, Jil Hesse, Alex Jedzinsky und Sonja Müller, klingen auf ihrem gerade veröffentlichten Debütalbum ganz schön wie die berühmteste Band aller Zeiten.

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Ja, sagt Sonja Müller, "unser Sound erinnert stark an die Beatles".

Wie sich ja alle irgendwie so anhören wie die Beatles, wenn güldene Melodien und einprägsame Refrains mit im Spiel sind. Aber schon lange nicht mehr klang jemand so sehr nach britischem Pop alter Schule wie Sleeping Policemen aus Hamburg. Sind sie Zitatpopper? Ein böses Wort; es lockt den Musikern nur ein müdes Lächeln hervor. "Uns nervt nur, wenn wir immer wieder mit Belle & Sebastian verglichen werden", sagt Hendrik und legt ein neues Album auf, von Alice Cooper. Der Hardrocker klang auf seinem zweiten Werk "Easy Action" noch ganz schön sanft. Kunst entsteht ja immer im Kontext dessen, was bereits vorhanden ist. Und deshalb sehen die Sleeping Policemen die vielen Bezüge, die man bei ihnen heraushört - von Belle & Sebastian über die Carpenters bis hin zu Girlgroups der 1960er-Jahre - sehr gelassen. "Ich finde diesen Anspruch vermessen, dass jeder, der eine Gitarre in die Hand nimmt, die Musik neu erfindet", sagt Jil.

Die Werkstatt, in der wir uns befinden, schreit geradezu danach, zu einer Galerie mit Fabrikcharme umfunktioniert zu werden. Die Musik, die aus den Boxen kommt, kontrastiert die rauen Wände: Klänge, die frisch und trotzdem mit einer Patina überzogen sind. Das Alte, Handgemachte, Gemächliche ist in der schnelllebigen, mitteilsamen Welt, die jede Sekunde neue Bilder, Texte und Songs hervorbringt, ein charmanter Ruhepol. Und man kann auch aus einem anderen Grund nicht anders, die gestrige Ästhetik des Quintetts,seinen entspannten Modus und die Freude am Tun romantisch zu nennen: Sleeping Policemen, das ist eine Feierabend- und Urlaubsband.

Die (gar nicht mehr so) jungen Menschen, von denen die Jüngste, Jil, 29 ist, sind alle berufstätig. Der Künstler heute kann sich noch nicht einmal erlauben, am Hungertuch zu nagen: Damit kommt keiner mehr durch. Jil ist Online-Redakteurin beim NDR, Sonja war lange Musikjournalistin, Jonas und Hendrik sind Multijobber, unter anderem Audio-Editoren. Alex ist als Drummer in diversen Bands erfolgreich. Er spielt bei Naked Lunch und Klee, war bei Angelika Express und der gerade aufgelösten Band Ruben Cossani.

Dass da jetzt eine fix und fertige Sleeping-Policemen-Platte liegt, top produziert von Tocotronic-Keyboarder und -Gitarrist Rick McPhail und mit liebevollem Artwork des Linolschneiders Carsten Nicolaus ausgestattet, können sie alle noch immer nicht recht fassen. "Das hat sich ganz organisch entwickelt. Wir kennen uns aus dem Nachtleben. Haben dann einfach angefangen, zu schreiben und zu proben, und das hat funktioniert. Es gab aber keinen Masterplan", sagt Sonja. Geprobt wurde auf St. Pauli in einem Bunker, den auch arrivierte Kollegen wie Jochen Distelmeyer und Kristof Schreuf schätzen, den es aber nicht mehr lange geben wird. "Die Musik kam so aus uns heraus. Intuitiv", sagt Jil. "Wir sind jetzt nicht krass ehrgeizig."

Sleeping Policemen sind übrigens Verkehrsschwellen auf der Fahrbahn. Hindernisse im Fluss, den es heutzutage ja geben muss und den nichts stoppen darf. Gewählt haben sie ihn, wie viele Bands, einfach deshalb, weil ergut klingt. Das sei auch ein schönes Bild dafür, wie sich die Band selbst ausgebremst habe, sagt Alex. "Unsere Mühlen malen mit eigener Geschwindigkeit."

Da fügte es sich, dass auch Rick McPhail Zeit hatte. Es war das Jahr des offiziellen Tocotronic-Sabbaticals, zur Ruhe kommen und so. Denkste. Für Rick McPhail ging das Jahr fast zur Gänze für die Sleeping Policemen drauf. Ein Glücksfall für die Band, denn er hat das richtige Augenmaß gezeigt zwischen dem Ringen um klangliche Perfektion und Seele.

Bei allem tatsächlich fehlenden Ehrgeiz - die Musik ist für die Bandmitglieder überlebenswichtig. Eine innere Notwendigkeit. Auch wenn ihnen manche vorwerfen, auf zu konservative Art Musik zu machen, egal. Ottensen ist an diesem Abend des gemeinsamen Musikhörens ein hemmungslos nostalgischer Ort: Auf dem Plattenteller rotiert zum Abschluss Oscar Brown. "Da steckt ein wundervolles Velvet-Underground-Zitat drin", sagt Sonja.

Hauptsache alt und altmodisch.

Sleeping Policemen: "Sleeping Policemen" erschienen bei Shining Waters/Apricot/Alive;

Internet: www.myspace.com/wearesleepingpolicemen