Gert Heidenreichs neuer Kriminalroman “Mein ist der Tod“ garniert das blutige Geschehen in einer Provinzstadt mit feinsinnig schwarzem Humor

Das Besondere an der süddeutschen Kleinstadt Zungen an der Nelda ist erst einmal, dass es sie gar nicht gibt. Das Städtchen wie der es einbettende Fluss sind eine Erfindung des Schriftstellers Gert Heidenreich. Ungewöhnlich an dem Gemeinwesen ist zudem, dass der Klang seines Namens eine gewisse Vertraulichkeit zu wecken scheint, es zugleich aber Brutstätte wahrlich grausiger Geschichten ist.

Heidenreich, Ex-P.E.N.-Präsident, Lyriker, Theaterautor, Romancier und Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, mag's blutig. Das war in seinen beiden ersten Kriminalromanen so, das ist in "Mein ist der Tod" nicht anders. "Sie hatte das Herz der Schmerzensmutter in der Kirche bluten gesehen", schreibt Heidenreich zu Beginn des Romans. Sie ist eine Frau Ende 40, und natürlich hat sie das Herz nicht bluten gesehen, sondern nur ein blutiges Herz, das eine Marienfigur ziert, wenngleich es nicht sein naturgegebener Ort ist. Denn es ist ein menschliches Herz, und in Zungen an der Nelda ist schon wieder Grausiges passiert.

Am Ufer der Nelda steht eine Reihe maroder Fischerhütten, die von Zeiten künden, als die Fischerei noch ein einträgliches Gewerbe war. Heute leben ein paar Studenten in den Holzhäusern, die abgerissen werden sollen. Was zu einer Art Wutbürgerprotest führt, dessen Höhepunkt eine feuchtfröhliche Feier ist, die ihr jähes Ende findet, als ein kleiner Junge in den Bretterfußboden einer Hütte einbricht - und mit beiden Beinen im Brustkorb einer skelettierten, offenbar jahrzehntealten Leiche steht.

Das lässt sich auch als Form heidenreichschen Humors lesen, so wie jene Romanstelle, die die Reaktion der Marienherzensfinderin beschreibt: "Die von Gottes Güte Beglückte schrie weiter, sah hinter ihren geschlossenen Lidern das Licht himmlischer Freude, hob die Hände zur Anbetung ..."

Humor ist die eine Sache, Alexander Swoboda, Maler und einst Kriminalhauptkommissar, eine andere. Swoboda hat den Auftrag, in ebenjener Kirche, in der die Geschichte ihren Anfang nimmt, ein Kirchenfenster neu zu gestalten. Was ihn gegen seinen Willen in den Fall hineinzieht. Doch einmal Bulle, immer Bulle - Swoboda lässt sich ködern und beginnt zu recherchieren. Der Täter gibt Rätsel auf: Auf der Polizei und der Presse zugesandten, selbst entworfenen Videospielen sind versteckte Hinweise auf Fundorte von Leichen platziert. Um sie zu entdecken, müssen Passwörter eingegeben werden - sie stammen sämtlich aus Dantes "Göttlicher Komödie". Ein Psychopath mit schöngeistigen Ambitionen.

Heidenreich stellt zwischen die einzelnen Kapitel Tagebucheintragungen des Täters. So erfährt der Leser weit vor Swoboda und seiner BKA-Kollegin Michaela Bossi, wer und was der Täter ist. Ein Wissen, das die Spannung des Handlungsverlaufs jedoch eher fördert, als sie zu schmälern. Denn Swoboda und Bossi kommen den Hintergründen auf die Spur - und die führt zurück zu einem schwarzen französischen Soldaten, der in Nazideutschland in Gefangenschaft gerät.

Gert Heidenreich hat mit "Mein ist der Tod" einen elegant erzählten Kriminalroman geschrieben, der changiert zwischen grausiger Attitüde und feingliedrig humorvoll inszenierten Passagen. Und die Spannung hält Heidenreich, ohne ins dramaturgische Schwanken zu geraten. Sehr lesenswert.