Das Musikfilmfest “Unerhört“ zeigt vom 11. bis 13. Mai zum sechsten Mal Dokumentationen aus der Welt des Punk, des Jazz und der Neuen Musik.

B-Movie. Freejazz-Legende Ornette Coleman kommt, Rock-Exzen-trikerin PJ Harvey auch, und das Hippie-Hip-Hop-Kollektiv A Tribe Called Quest tritt sogar in ganz großer Besetzung an - im kuscheligen Stadtteilkino B-Movie auf St. Pauli. Ist das nicht sensationell?

Zugegeben, die Erwähnten kommen nicht persönlich, aber dafür gibt es Filme mit ihnen und über sie. Bisher ungesehene, die es vermutlich nie wieder auf eine Hamburger Leinwand schaffen, nun aber zu sehen sind - beim sechsten "Unerhört!"-Musikfilmfest. Vor einem halben Jahr schien es noch, als sei das "Unerhört" Geschichte, weil das Organisationsduo Ralf Schulze und Stefan Pethke mit seiner Kraft am Ende war. Unzählige unbezahlte Tages- und Nachtstunden hatten die beiden über Jahre investiert, Schulze griff sogar auf private Ersparnisse zurück, um seinen Traum von einem Musikfilmfestival am Leben zu halten, nur irgendwann ist eben mal Schluss mit der permanenten Selbstausbeutung.

Aber wie heißt es so schön im Sprüchekalender: "Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her." Und dieses Hoffnung spendende Lichtlein ging von der Hamburger Kulturbehörde aus, die immerhin 4000 Euro auf den Tisch legte, um "Unerhört" am Leben zu erhalten. Eine weise Entscheidung, die ein jeden Tag ausverkauftes B-Movie verdient, denn das Programm dieser drei Festivaltage hat internationales Format und deckt ein extrem breites Spektrum ab.

Da ist etwa das Porträt des Saxofonisten Ornette Coleman, eine der letzten lebenden Jazz-Legenden, der Regisseurin Shirley Clarke in ihrem Film ein Denkmal setzt. "Ornette: Made In America" (11.5., 19 Uhr) erschien bereits 1988, jetzt ist dieses Meisterstück in einer frisch restaurierten 35-mm-Fassung zu erleben. Unbedingter Pflichtstoff ist auch "The Ballad Of Genesis And Lady Jaye" (12.5., 17 Uhr), das Genesis P-Orridge (Throbbing Gristle, Psychic TV), einen Begründer der Industrial Music, gewidmet ist und eine Art philosophisches Kunstprojekt zeigt, für das sich P-Orridge und seine Frau Lady Jaye per kosmetischer Operationen einander optisch immer stärker angleichen. Faszinierend.

Große Faszination übt ebenfalls die Musik Fritz Hausers aus. Der Schlagzeuger und Komponist ist begeistert von Reib-, Schab- und Schleifgeräuschen, arbeitet mit Glasmurmeln, Ketten und Fingerhüten, lässt aber auch mal seinen Dreitagebart über ein Trommelfell schrubben. "Fritz Hauser - Klangwerker" (13.5., 14 Uhr) zeigt den Schweizer als rhythmischen Freidenker, der mal mit Gitarrist Fred Frith (Henry Cow) improvisiert, dann wieder den hypnotisierenden Soundtrack für eine Tanztheateraufführung der Compagnie Heddy Maalem liefert. Eine Doku, die Lust darauf macht, selbst ein wenig Klangforscher zu spielen - Schüsseln, Feilen und Besteck finden sich schließlich in jedem Haushalt.

Was ich sonst noch lohnt? Auf jeden Fall "A Day With Tortoise" (12.5., 20 Uhr), die 60-minütige Auseinandersetzung mit der jazzigen Postrock-Band aus Chicago, die mit zwei Schlagzeugern auftritt und auch sonst für musikalische Experimentierfreudigkeit steht. Und natürlich "Yangon Calling" (12.5., 23 Uhr), eine filmische Reise nach Myanmar, der Heimat von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Auch hier gibt es Punks, doch wie leben die inmitten einer nur langsam aufweichenden Militärdiktatur? Wo gibt es Platten zu kaufen, wo Nieten und Lederjacken oder Instrumente, um selbst eine Band gründen zu können? Viele Fragen, die Antworten werden im B-Movie geliefert.

"Wir zeigen Filme, die sonst niemand zeigt", sagt Ralf Schulze, im Hauptberuf Musikverleger. Möge Hamburg sich noch lange diese Form eigentlich unbezahlbarer musikalischer Fortbildung im Kinosaal leisten.

"Unerhört"-Musikfilmfest Fr 11.5.-So 13.5., B-Movie (U St. Pauli), Brigittenstraße 5; Eintritt 6-/5,-, Festivaldauerkarte 25,-/20,-; Internet: www.unerhoert-filmfest.de