Ein unterhaltsamer wie anspruchsvoller Coming-of-Age-Spaß mit den Freundinnen Bella (Evangelina Randou) und Marina (Ariane Labed).

Dass sich Gegensätze anziehen, haben auf der Leinwand schon lange nicht mehr zwei Charaktere so überzeugend verkörpert wie Bella (Evangelina Randou) und Marina (Ariane Labed). Die jungen Frauen sind miteinander auf ziemlich unkonventionelle Weise befreundet. Mal sind sie zärtlich miteinander, dann blödeln sie herum, tanzen oder sind eifersüchtig.

Marina lebt zusammen mit ihrem krebskranken Vater in einer trostlosen Stadt an der Küste, die von Industrieanlagen dominiert wird. Den Vater hat seine Krankheit zynisch gemacht. Er möchte im Meer bestattet werden und sagt: "Ich spende meinen Körper der nächsten Fischsuppe." Er ekelt sich vor Würmern.

Widerwillen verspürt Marina auch, aber sie bezieht ihn auf Männer. Alles an ihnen erscheint ihr abstoßend, insbesondere die Vorstellung vom Sex. Stattdessen betrachtet die in Liebesdingen unerfahrene, naive und verletzliche Frau mit einer Art klinischem Interesse die Fortpflanzung von Säugetieren in den Tierdokumentationen von David Attenborough. Die Verballhornung seines Namens gibt dem Film den Titel.

Als Drama mit dem "schlimmsten Kuss der Filmgeschichte" wurde "Attenberg" angekündigt. Etwas viel der Ehre, auch wenn der Lippenkontakt zwischen Bella und Marina eher gymnastisch als zärtlich wirkt. Regisseurin Athina Rachel Tsangari bürstet nicht nur Rollenklischees gegen den Strich. Sie setzt sich formal wie inhaltlich mit den Konventionen bei der Darstellung von Beziehungen auseinander. Das macht aus dem Drama einen ebenso unterhaltsamen wie anspruchsvollen späten Coming-of-Age-Spaß.

Vielleicht ist es etwas zu einfach gedacht, wenn man die zurzeit besonders aktive griechische Filmszene als Reaktion auf die Staatskrise des Landes beschreibt. Tatsache ist aber, dass das Land ausgerechnet im Jahr des Todes seiner Kino-Galionsfigur Theo Angelopoulos mit Werken wie "Alpen" oder "Meteora" im Gespräch ist wie schon lange nicht mehr. "Attenberg" zählt zu den Gründen dafür.

"Attenberg" Griechenland 2010, 96 Min., ab 12 J., R: Athina Rachel Tsangari, D: Evangelina Randou, Ariane Labed, täglich außer Mo im Abaton (OmU); www.rapideyemovies.de/film/attenberg