Mein Großvater hatte nach dem Krieg mit dem Zaubern begonnen. Die Leute kannten das Verschwinden, und ließ Großvater etwas verschwinden, Butter, Zigaretten, Tiere, so war es eher Argwohn, der ihm entgegenschlug, wobei beim Herbeizaubern oft schon Kleinigkeiten genügten, um die Zuschauer in Erstaunen zu versetzen. Etwa wenn Großvater ein Stückchen Speck vom Ohr seines Gegenübers pflückte, eine Kartoffel aus dessen Ärmel.

Großvater hatte zwar wenig Talent fürs Zaubern, doch es war eine recht günstige Zeit. Die Leute waren nur allzu bereit, an Wunder zu glauben, und so drückten sie hier und da ein Auge zu, wenn Großvater falsche Hasen aus falschen Hüten zauberte, sich in eine Jungfrau verwandelte und anschließend zersägte.

Wie die Zuschauer schien auch Großvater jedes Mal wieder überrascht ob seines Zaubers, was da geschah, ob überhaupt, und so zauberte er gern auch mal für sich allein. Immer größere Zaubertücher nähte er, die er über allerlei Dinge ausbreitete, Zaubersprüche aufsagte, singsangte, tanzte, in der Hoffnung, etwas würde geschehen. Jeden Abend verhängte er die Fenster der winzigen Wohnung mit diesen Tüchern und riss sie am Morgen voller Erwartung ab. Schien enttäuscht, blickten ihm doch nur wieder die bleichen Häuser mit den vom Krieg großen Augenhöhlen entgegen.

Einmal war auch meine Großmutter unter einem dieser Tücher erwacht. Und ja, sie habe sich verändert gefühlt, sagte sie. Jeder Gedanke so laut, als würde er geschrieen. Alles, was sie dachte, nach Schwarz und Weiß sortiert. Oder Braun. Verstand und Haare kurz, und ein kleiner Bart habe ihr quadratisch unter der Nase gewuchert. Auch Großvater war erschrocken. Und es brauchte einige Tage und einen großen Zauberteppich, bis er diesen Zauber wieder ungeschehen machen konnte.

Derzeit läuft im Altonaer Museum die Ausstellung "Verzaubert". Dort wird sicher auch ein Bild meines Großvaters hängen.