Der Maler Heinrich Steinhagen wird in Rahlstedt geehrt

Hamburg. Es ist eine späte Ehrenrettung und die längst überfällige Würdigung eines bedeutenden expressionistischen Künstlers: Gestern erhielt eine Straße in Rahlstedt den Namen Steinhagenweg, zu Ehren des Malers und Bildhauers Heinrich Steinhagen. Unmittelbar im Anschluss an die Namensgebung wurde in der Parkresidenz Rahlstedt eine Ausstellung mit Ölgemälden, Aquarellen und Radierungen von Steinhagen eröffnet. Die Schau, die der Bürgerverein Rahlstedt, der Rahlstedter Kulturverein und das KulturWerk Rahlstedt organisierten, zeigt etwa 40 Kunstwerke von zahlreichen Leihgebern, die einen guten Überblick über das künstlerische Schaffen des Malers geben, der als 18-Jähriger nach Hamburg kam und hier bis zu seinem Tod im Jahr 1948 lebte und wirkte.

Steinhagen wurde 1880 in Wismar geboren. Er begann mit ausdrucksstarken Radierungen norddeutscher Landschaften. Bald wurde Kunsthallen-Chef Alfred Lichtwark auf das Talent des jungen Mannes aufmerksam. Er förderte ihn und stellte ihm ein Atelier in der Kunsthalle zur Verfügung. Während die frühen Arbeiten noch spätimpressionistische und gemäßigte Jugendstil-Einflüsse erkennen lassen, markiert das traumatische Erlebnis des Ersten Weltkrieges einen stilistischen und thematischen Bruch: Der Gestus wird härter, in expressionistischen Formen gestaltet Steinhagen nun Kampf- und Todesszenen und das sinnlose Leiden der Kreatur.

1919 gehört der inzwischen auch international geschätzte Künstler zu den Gründungsmitgliedern der Hamburgischen Sezession. Doch weil er ein höheres Maß an künstlerischer Selbstverwirklichung sucht, entschließt er sich 1923 zu einem radikalen Schritt: Er verkauft seine Arbeiten an einen Kunsthändler und erwirbt in Rahlstedt ein Grundstück, auf dem er eigenhändig und mit selbst gebrannten Ziegeln ein Haus erbaut, das von vornherein als Gesamtkunstwerk konzipiert ist.

Das Projekt stößt von Anfang an auf Vorbehalte und wird auch von den Behörden behindert, die Formalien verletzt sehen und zum Beispiel das Fehlen statischer Berechnungen bemängeln. Steinhagens Freund, der Architekt Fritz Höger, vermittelt schließlich, sodass Steinhagen sein "Rahlstedter Schloss" tatsächlich nach eigenen Vorstellungen bauen kann. Es verfügte über eine Ausstellungshalle, Musiksaal, Töpferatelier, Wohn- und Arbeitsräumen, die mit selbst entworfenen Möbeln und Kunstwerken ausgestattet waren. Die NS-Zeit, in der Steinhagen als "entarteter Künstler" verfemt wurde und zeitweise in KZ-Haft war, überstand das Gesamtkunstwerk. Nachdem Heinrich Steinhagen 1948 einem Krebsleiden erlegen war, verfiel sein Schloss, wurde aber noch immer bewohnt. Erst 1963 machten Bulldozer das Gebäude mitsamt seiner künstlerischen Ausstattung platt, um Platz für ein Bauvorhaben der Neuen Heimat zu schaffen. In der Ausstellung ist auch ein Modell des Hauses zu sehen, das sich an jener Straße befand, die seit gestern den Namen Steinhagenweg trägt.

"Heinrich Steinhagen: Ölgemälde, Aquarelle, Radierungen". Parkresidenz, Rahlstedter Str. 29, bis 31. Mai. Die Ausstellung ist jederzeit zugänglich