Paul Kuhn, Hugo Strasser und Greetje Kauffeld – für Max Greger – beweisen in der Laeiszhalle, dass man mit Swing im Blut würdig altern kann.

Hamburg. Es war gewiss nur ein kalendarischer Zufall, dass der Hamburger Termin der Swing-Legenden-Tour mit dem Finale des Deutschen Seniorentags zusammenfiel, der nur ein paar Hundert Meter Luftlinie entfernt stattgefunden hatte. Aber sind Hugo Strasser, 90, und Paul Kuhn, 84, selbst die für den erkrankten Max Greger, 86, eingesprungene Sängerin Greetje Kauffeld, 72, nicht ausnahmslos Vorzeigebeispiele für das, was man unter Aktivsein im Alter versteht? Frau Kauffeld war freilich das Küken unter den Star-Senioren; aber Strasser und Kuhn bewiesen in der ausverkauften Laeiszhalle jeder auf seine Weise, dass man mit Swing im Blut würdig alt bis uralt werden kann.

Begleitet von der SWR-Bigband, die sich etwas zu selbstgewiss auf ihre über 60-jährige Routine in Swingdingen verließ, boten die beiden großen deutschen Jazz- und U-Musik-Veteranen ihre Lieblings-Evergreens dar. Strasser glänzte besonders bei Balladen wie "I'm Getting Sentimental Over You", "Moon Glow" oder "Danny Boy". Da klang seine mit vornehm vergoldeter Mechanik ausgestattete Klarinette warm und einschmeichelnd. Dass er eher hinsichtlich der Artikulation als aufgrund des guten Timings ein Jazzmusiker ist, wurde besonders bei Midtempo-Nummern wie "Bei mir bist du schön" deutlich.

Timing wiederum ist eine der großen Stärken des Pianisten und Sängers Paul Kuhn. Obwohl er sich in der ersten Hälfte des Konzerts stimmlich reichlich indisponiert ("Arien kann ich heute nicht singen") durch "Makin' Whoopie" brummelte, gab er seinem Vortrag durch sein souveränes Spiel mit dem Tempo einige Sexyness. Sein "As Time Goes By" zur eigenen Klavierbegleitung entfaltete Magie noch in der extremen Reduktion. Und wann immer Paul Kuhn sich im Verlauf des Abends vor die Band stellte, zeigte sich in seinen Händen die alte Bandleader-Eleganz und Präzision. Da spielten die Kollegen aus Stuttgart gleich eine Klasse dichter zusammen.

Natürlich war auch Greetje Kauffeld weder zur Neuerfindung des Swing angetreten noch gar dazu, ihn gegen den Strich zu bürsten. Mit ihrer unaufgeregten Art, ihrer perfekten Intonation und der Songauswahl - "Shiny Stockings", "Strike Up The Band", "Sweet Georgia Brown", "Route 66" und "Someone To Watch Over Me" - passte die erst am Vorabend engagierte holländische Sängerin bestens ins Bild.

Hugo Strasser, der leutselige, aufrichtige Bayer, verkörpert bis heute Tüchtigkeit und einen Arbeitsethos, die eher zu einem Braumeister oder einem Automobilbauer passen wollen als zu einem Fabrikanten der Klänge der Nacht. Tatsächlich klingt sein Jazz mehr nach Fernsehballett als nach den Ami-Klubs, in denen seine Karriere kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begann.

Auch Paul Kuhn hat in seinem Leben in reichlich TV-Studioscheinwerfer geblickt. Aber sein bluesgetränkter Jazz verströmt immer noch die Sinnlichkeit kerzenbeleuchteter Kellerlokale. Strasser wirkt wie der Opa, der den Enkeln bei Familienfesten kleine Geldscheine zusteckt. Kuhn wie der coole Bohemien, der sie an seiner Zigarette ziehen und am Cognacschwenker nippen lässt. Tatsächlich waren, zumindest den Jahren nach, auch einige Enkel und Urenkel im Saal.