Hommage an den Operetten-Komponisten Ralph Benatzky: Angelika Thomas und Peter Franke singen Chansons und wollen sein Werk lebendig halten.

St.-Pauli-Theater. Die elegante, sonnenhelle Gartenwohnung, an einer lauschigen Seitenstraße Winterhudes gelegen, dient zugleich als Archiv. Helga Benatzky erbte mit ihrem Mann den Nachlass des Komponisten Ralph Benatzky und gibt sich große Mühe, sein Werk lebendig zu halten. Sie übernimmt die Schirmherrschaft für Chanson-Wettbewerbe, verfolgt auch kritisch Veröffentlichungen und alle Aufführungen seiner weltbekannten Operette "Im weißen Rößl". Natürlich ist sie auch Ehrengast am Sonntag beim literarisch-musikalischen Porträt "Im weißen Rössl - Triumpf und Tristesse Ralph Benatzky". Matthias Wegner präsentiert die Hommage mit den Schauspielern Angelika Thomas und Peter Franke in seiner Reihe über vertriebene Operetten-Komponisten.

Die Dame des Hauses empfängt am Nachmittag - nach österreichischer süßer Tradition - zu Kaffee und köstlichem Kuchen mit Schlagobers. Nicht umsonst heißt eines der bekanntesten Benatzky-Chansons "A Mehlspeis'". "Sein Herz hing an seinen Chansons, die leider viel zu wenig gesungen werden", bedauert seine Nichte. "Er ist in erster Linie Poet gewesen, hat zuerst die Texte und dann die Musik dazu geschrieben."

Nun fast 89 Jahre alt, führt Helga Benatzky lebhaft parlierend und rüstig die Treppe hinab ins Souterrain mit den wohlgeordneten Kostbarkeiten. Sie zeigt alte Fotografien, die 24 Bändchen von Benatzkys Tagebüchern im Regal und holt die originalen Notenblätter für einige Lieder hervor, die Benatzky für die Revuen des Berliner Revue-Kings Erik Charell in den 20er-Jahren geschrieben hat.

+++Hits und Bekenntnisse+++

Viele wurden zu Schlagern, waren im Rhythmus der damaligen Modetänze Foxtrott, Slowfox, Samba oder Shimmy komponiert. Etwa "Marie, Marie" aus der Revue "Für Dich!" oder "Mein Liebling, denk' nicht schlecht von mir!". Zu Welterfolgen wurden die für Zarah Leander geschriebenen Titel "Ich steh' im Regen" und "Yes, Sir!". "Benatzky hat ihr mit seiner Operette 'Axel an der Himmelstür' in Wien zum Durchbruch verholfen. Er wollte sie zunächst wegen der tiefen Stimme nicht, hat aber dann die Partitur transponiert."

"Seine Lieder sind unglaublich gut geschrieben und funktionieren auf der Bühne 100-prozentig", bestätigt die singende Schauspielerin Angelika Thomas, seit ihrem Benatzky-Abend mit Helga befreundet, die beipflichtet: "Sie haben Esprit und Frivolität, gehen aber nie unter die Gürtellinie." Thomas wird "Das ist der Mann, auf den hab ich gewartet" singen. "Dem sag ich ja, bevor er etwas begehrt ..."

Ganz im Gegensatz zur Leichtigkeit und Lebenslust seiner Lieder und der zu Unrecht vernachlässigten musikalischen Komödien ("Meine Schwester und ich") war Benatzky ein sehr ernsthafter, gebildeter Mann mit wacher politischer Einstellung. "Das bestätigen die Tagebücher, aber auch dass er nach der Rückkehr aus Amerika depressiv und melancholisch wurde ", sagt seine Nichte. "Er war sehr kritisch mit sich und gegenüber anderen Menschen, was ihm sicherlich manchmal im Wege stand. Er schrieb oft bitterböse und hat das Positive ins Satirische gewendet." Lächelnd überreicht sie dem Journalisten einen Liedtext über den gesinnungslosen Zeitungsfritzen "Schmock". Kommentar überflüssig.

Als Schriftsteller war Benatzky ein scharfer, witziger Beobachter. "Ein interessanter Ausnahmefall unter den Operetten-Komponisten", findet Matthias Wegner, der Moderator des Abends. "Er verließ Nazi-Deutschland aus freien Stücken und ging ins Exil nach Amerika, wo er unglücklich war. Zweimal besuchte er Hollywood, fand aber nie richtig Anschluss und Arbeit."

Ein hochgescheiter Kopf, schrieb der studierte Philosoph Benatzky zeitlebens Tagebuch und hinterließ eine Zeitchronik von den 20ern bis in die 50er-Jahre. "Er ahnte früh, dass Hitler Deutschland schaden würde", betont Helga Benatzky. Eine Tagebuch-Passage von 1924 belegt es, in der er sich über das "hakenkreuzlerische Leben" lustig macht, über "die Ur-Germanen mit Wampe und Nackenspeck, mit rückwärts rasierten und oben hahnenkammartig durch eine Scheitelfrisur gekrönten Schädeln ... arisch arrogant, provinzlerisch gackernd".

Aus den von Inge Jens bearbeiteten und 2002 erschienenen Tagebüchern Ralph Benatzkys liest Peter Franke - und singt natürlich für die gute Laune auch das Chanson "A Mehlspeis'".

"Im weißen Rössl. Triumpf und Tristesse Ralph Benatzkys" So 6.5., 20.00, St.-Pauli-Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30, Karten zu 21,- unter T. 47 11 06 11; www.st-pauli-theater.de