In der Dokumentation “Filmstar Karajan“ steht die Selbstinszenierung des legendären Dirigenten im Mittelpunkt

KörberForum. Drei kurze Schüttler, dann ein längerer Schüttler der Hände, und das zweimal. Die Magie des antiken Schwarz-Weiß-Films funktioniert auch ohne Ton. Das kann nur der Beginn von Beethovens Fünfter sein, das Schicksal, wie es, verkörpert durch Herbert von Karajan und seinen Taktstock, an die Pforte seines Publikums klopft. Georg Wübbolts Dokumentarfilm "Filmstar Karajan", der heute von ihm im KörberForum präsentiert wird, beginnt mit dieser Szene, die so charakteristisch ist für den Egomanen Herbert von Karajan, für seine Klangvorstellungen und seine absolutistische Bildsprache.

Sein Leben lang hat er konsequent und brachial an der medialen Konservierung seines Schaffens und der Ikonenwerdung des eigenen Abbilds gearbeitet. Karajan war mehr als ein genialer Dirigent, er war der Über-Maestro schlechthin, gottgleich, vorbehaltlos zu bewundern und überlebensgroß zu filmen, am liebsten, dramatisch ausgeleuchtet, von links im klassischen Cäsarenprofil zum Rollkragenpullover.

Jede Kameraeinstellung ein Triumph des Wollens, jeder Kameraschwenk diente einzig dem großen Diktator und seinem Werkgedanken, den es als Maßstab für künftige Generationen zu hinterlassen galt. Die Anekdote, Karajan habe Orchestermusikern mit spärlichem Haupthaar Perücken verpasst, damit seine eigene Herrlichkeit am Bildrand nicht Schaden nehme, ist so schön, dass sie nur wahr sein kann.

Karajan war ein Alleinherrscher, der den Geniekult des 19. Jahrhunderts für sich neu erfand, zum Jetset-Dirigenten wurde und zum Markenzeichen, der mit seiner Arbeitsweise Millionen scheffelte und versenkte. Er war sein eigenes Wirtschaftswunder. "Keine Callas, kein Caruso, kein Klavier- und kein Geigenvirtuose, kein lebender oder toter Kollege hat diesem kleinwüchsigen, schüchternen, lächerlich eitlen und meist in verstümmelten Sätzen nuschelnden Kapellmeister aus Salzburg jemals das Wasser reichen können", schrieb der "Spiegel" posthum.

Karajan war der Erste, der die Möglichkeiten des Mediums Film für sich und seine Kunstform erkannte; später wiederholte er diese Pionierarbeit mit dem neuen Speichermedium CD, mit der Bildplatte setzte er allerdings kostspielig auf ein völlig falsches Pferd.

Anfangs, in seiner kurzen Lernphase, duldete Karajan noch Regisseure neben sich, sobald er die Spielregeln verstanden hatte, war es vorbei mit dieser Schwäche. Er gründete Produktionsfirmen, um seine Selbstverfilmungen zu vermarkten, er zwang Orchestern, Musikern und Opernhäusern und dem Rest der Welt seinen Willen auf, wie er gesehen werden wollte. Die Salzburger Festspiele baute er, der Arztsohn aus der Mozart-Stadt, sich so um, wie es ihm gefiel, mit der Berliner Philharmonie bekam er eine Bühne, die so visionär war und so radikal, wie er sich stets sah.

Im Laufe der Jahrzehnte versteinerte Karajans Ästhetik mehr und mehr, sein Klangideal kam in die Jahre, stilistischen Neuerungen verweigerte er sich. Mit Karajans Tod im Juli 1989 endete eine Ära, die Klassik-Branche hat sich von diesem Schicksalsschlag nie wieder erholt. Die Bilder, die blieben, zeigen, warum es keinen Zweiten wie ihn geben konnte.

"Filmstar Karajan" heute 19.00, KörberForum, (U Baumwall), Kehrwieder 12, Anmeldung unter T. 808 19 20 oder www.koerber-stiftung.de . Am 6. Mai, 23.45 Uhr, wird der Film im RBB gesendet