Das famose neue Album “Master of My Make-Believe“ der US-Sängerin Santigold ist der wohl wichtigste Hip-Hop-Beitrag des Jahres 2012.

"Go!". Unter Trommelwirbel marschiert der Eröffnungssong von "Master Of My Make-Believe" vorwärts. Nur immer weiter nach vorne. Die Polyrhythmik ist derart dominant auf diesem Album, dass sich ihre Schöpferin, die amerikanische Sängerin und Songschreiberin Santi White, genannt Santigold, auch ohne auf den Text zu achten als glaubwürdige Rebellin vom Planeten Pop empfiehlt.

Nebenbei liefert sie das wohl in diesem Jahr wichtigste Hip-Hop-Album ab. Ein betörender Bastard aus New Wave, Dub, Elektronic und Pop, ja, Hip-Hop kommt auch vor. Man hört ihrer Musik an, dass sie einst karibisches und westafrikanisches Trommeln erlernte - aber sehr wohltuend auch, dass sie mal bei einer Punkrock-Band sang.

Kindheitserlebnisse hinterließen auch bei der aus Philadelphia stammenden Künstlerin bleibende Eindrücke. Sie saugte alles auf, vom Afrobeat eines Fela Kuti über den Blues einer Nina Simone bis zum Wave der Talking Heads. Der Plan einer global verständlichen Musik reifte. Einer, die sich nicht um Trends und Genres schert. Doch zunächst schrieb und produzierte sie nur für andere. Für Christina Aguilera und Lily Allen.

Die Kritik goutierte den Urban-Riot-Sound ihres Debütalbums "Santogold", das sie 2008 noch unter altem Namen herausbrachte. Die kernigen Sprüche über Wahrhaftigkeit im System. Dann verschwand sie vier Jahre lang in der Versenkung. Untätig war White nicht. Neben vielen anderen kollaborierte sie mit den Beastie Boys. Seit 2009 nennt sie sich nach einem Namensrechtsstreit Santigold.

Dann, nach einem Segelturn mit den Produzenten Switch, Diplo und John Hill, klappte es doch noch mit dem zweiten Album, das man gelungen nennen muss. Auch wenn die Vielzahl der beteiligten Hände, inklusive Greg Kurstin und Dave Sitek (TV On The Radio), nicht eben die Einheit fördert.

Im Video zur ersten Single, "Disparate Youth", entsteigt Santigold glamourös aufgebrezelt in Schnürstiefeln einer Yacht und trifft im jamaikanischen Dschungel auf eine Kinder-Guerilla-Kolonie. Nicht nur in ihrer Musik amalgamiert Santigold wild zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört. Eingängige Melodien, rotzige Attitüde und allerlei aus den Annalen der Weltmusik. Genauso freak-stylig sind auch ihre Klamotten. Streifen mixt sie mit Blümchenmustern und dicken Goldklunkern, die sie selbst entwirft.

Weiter geht es mit der kämpferischen Inbrunst, die das ganze Album durchzieht. In "God From The Machine" beteuert sie: "Du schaffest es auch allein / Hauptsache, du machst dein Feuer aus / und wirst nicht erwischt." In "Look At These Hoes" poltert sie "Schau mich an / dann diese Luder / Diese Schlampen verarschen mich nicht". Armut, Umweltverschmutzung und operierte Plastikgesichter würden sie sauer machen, sagt Santigold. Sie selbst ist mit ihrer nasalen tiefen Stimme weit davon entfernt, ein hüftewackelndes "Role Model" des R&B zu sein.

Das ganze Album lädt zur Selbstfindung ein. Da mag geholfen haben, dass Santi White auf den Spuren der Beatles meditierte. Auf dem Cover ist sie gleich viermal zu sehen. Aufmüpfig blickt sie von einem Ölbild in napoleonischer Reitmontur herab, davor sitzt sie mackerhaft als Geschäftsmann, umringt von zwei Ladyguards im Schwimmdress - ebenfalls von ihr dargestellt. Die Botschaft lautet: Jeder kann der werden, der er sein will. Jawohl.

Santigold: "Master Of My Make-Believe" (Warner) erscheint am 4.5., www.santigold.com