In New York wird mit Munchs berühmtestem Werk - einem der vier Versionen - heute womöglich ein neuer Auktionsrekord erzielt

Hamburg. Von 1893 bis 1910 schuf Edward Munch vier Versionen eines Gemäldes, das als "Der Schrei" weltberühmt wurde. Es ist eine Ikone der Kunstgeschichte, nur Leonardos "Mona Lisa" oder Vincent van Goghs "Sonnenblumen" sind noch populärer als das ebenso eindrucksvolle wie verstörende Motiv des norwegischen Expressionisten, das einen Menschen mit weit geöffnetem Mund, leerem Blick und an den Kopf gelegten Armen zeigt.

Drei der vier Varianten befinden sich im Besitz des norwegischen Staates, die vierte soll am heutigen Mittwoch in New York unter den Hammer kommen. Das Auktionshaus Sotheby's hat einen Schätzpreis von 80 Millionen Dollar angegeben, Experten meinen, dass es am Ende mehr bringen wird, unter Umständen sehr viel mehr. Es spricht einiges dafür, dass der bisherige Auktionsrekord für Kunst von 106,5 Millionen Dollar (vor zwei Jahren für Picassos "Akt mit grünen Blättern und Büste") sogar übertroffen wird.

Die Gründe liegen auf der Hand: Selten wird ein so zentrales Werk der Kunstgeschichte überhaupt angeboten. Außerdem ist es konkurrenzlos, das die drei übrigen Varianten in Norwegen als nationale Heiligtümer gehütet werden und selbst im unwahrscheinlichen Falle eines Staatsbankrotts wohl nicht verkauft werden dürften. Bisher gehört das jetzt zur Versteigerung stehende Bild, das Munch 1895 malte, dem Norweger Petter Olsen. Dessen Vater Thomas, der den Maler noch persönlich kannte, hatte es 1937 erworben. Doch Petter will das Munch-Bild verkaufen, um dem Maler zu dienen: Den Erlös will er zum Bau eines neuen Munch-Museums verwenden. "Ich habe mein ganzes Leben mit diesem Werk gelebt, und seine Kraft und Energie sind noch stärker geworden. Jetzt jedoch scheint die Zeit gekommen, dem Rest der Welt die Chance zu geben, dieses bemerkenswerte Werk zu besitzen und zu bewundern."

Wie real diese Chance ist, wird sich heute erweisen, denn es ist keineswegs ausgemacht, dass das Bild künftig der Öffentlichkeit zugänglich sein wird. Falls es ein anonymer privater Sammler ersteigert, könnte es womöglich für Jahrzehnte verschwinden. Der amerikanische Munch-Experte Mark Winter hofft jedoch, dass das Bild am Ende doch in einem Museum landet.

Lohnen würde sich das allemal, denn allein dieses Bild würde wohl für einen gewaltigen Besucheransturm sorgen. Winter hat kürzlich eine interessante Rechnung aufgemacht: "Jedes Museum, das dieses Bild kauft, kann nur Gewinn machen. Es würde jährlich etwa eine Million Besucher anlocken. Sagen wir, jeder lässt 50 Dollar da für Eintritt und Museumsshop - dann sind das 50 Millionen Dollar im Jahr." In spätestens vier Jahren hätte das Museum damit den Kaufpreis erwirtschaftet.

Fragt sich nur, wie die Museen den schwindelerregenden Kaufpreis aufbringen sollen. Aber vielleicht findet sich ja ein großherziger Mäzen, der den "Schrei" ersteigert, um ihn anschließend einem Museum als Dauerleihgabe zu überlassen.