Die ARD-Dokumentation “Kleider machen Deutsche“ ist ein unterhaltsamer Ritt durch die Geschichte der Mode

Hamburg. Nostalgie ist nicht nur der Balsam für die von der Realität geschundene Seele, sie ist auch ein Lockmittel. Ein Köder, um Zuschauer vor den Bildschirm zu locken und dort zu halten. Eine besonders schön verpackte Form der Nostalgie zeigt die ARD ab Montag mit der Zeitreise "Kleider machen Deutsche". In einer zweiteiligen Mini-Serie ("Von der Trümmerzeit bis in die wilden Sechziger" und "Von den 68ern bis zum Mauerfall") beschäftigt sich Regisseurin Katarina Schickling mit den modischen Sternstunden und Abstürzen der Deutschen von den Kriegsjahren bis zum Mauerfall.

Dabei hat sie vor allem ein glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer Protagonisten - ganze 21 für ein Format von 45 Minuten - bewiesen, die glücklicherweise nicht nur aus Prominenten bestehen. Sie hat offensichtlich viel Zeit in den Archiven der Fernsehanstalten verbracht und dabei echte Perlen ausgegraben: Einspieler aus der "Wochenschau" oder Werbespots vermischen sich mit den Alltagsgeschichten der Zeitzeugen und ergeben ein kurzweiliges, stimmiges Porträt einer Gesellschaft im Wandel. Denn obwohl es immer wieder Menschen gibt, die Mode als oberflächlich bezeichnen, kann man doch an ihr in unvergleichlicher Weise die Entwicklung der deutschen Gesellschaft erzählen.

Neben Schauspielern wie Gerit Kling, Maren Kroymann und Christoph Maria Ohrt, Moderator Manfred Sexauer und Fürstin Gloria von Thurn und Taxis sind es die "normalen" Leute, die die spannenderen Geschichten liefern. Antje von der Heyde, ehemalige Chefredakteurin der "Brigitte", oder Josefine Edle von Krepl, der eine der wenigen Privatboutiquen in der DDR gehörte. Der erste Teil der Dokumentation setzt im Frühjahr 1945 an, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Zwischen den Trümmern der Kriegsjahre muss das Leben weitergehen. Es mangelt an allem, nicht zuletzt an Kleidung. Trotzdem entwickeln sich gerade Ende der 1940er-Jahre geradezu ikonische Bilder der Bekleidung dieser Zeit - getragen von den Trümmerfrauen.

Aus Textilien jeglicher Art werden Kleider genäht: Tischdecken, Kissenbezüge, Gardinen. Sogar die alten Reichsflaggen, die eigentlich im Zuge der Entnazifizierung verbrannt werden sollen, zerlegen sie in ihre Einzelteile und nähen sie zu Dirndlschürzen um.

Nach der Währungsreform ist es vorbei mit der Mangelwirtschaft, auch in der Mode. Paris steht dabei im Zentrum der Modewelt, Christian Dior begeistert mit dem "New Look" durch verschwenderischen Stoffgebrauch mit extrem schmaler Taille und weit ausladendem Rock. Die Frau wird zur Zierde, denn die Kleider sind alles andere als praktisch. Die Hausfrau als Zeichen des persönlichen Wohlstands. Korsage und Mieder, eigentlich schon tot geglaubt, werden wieder herausgekramt.

Anders sieht es in der jungen DDR aus: Kleidung ist dort ein Politikum. Obwohl die Regierung alles daransetzt, die Bevölkerung mit eigens produzierter Mode auszustatten - angemessen und sittlich - lassen sich die, die es können, Westpakete mit Kleidern von Verwandten aus der Bundesrepublik schicken. Shanty-Jeans oder Dederon-Schürzen aus dem staatlichen Bekleidungswerk tragen lediglich Leute, die sich nicht dagegen wehren können. Die dazugehörigen Archiveinspieler zeigen noch allerlei andere Skurrilitäten: Bundeswehrsoldaten, die Anfang der Siebziger die überschulterlange Mähne nicht abschneiden, aber mit einem Haarnetz bändigen müssen, oder ein Werbefilm des ADAC, der Frauen Ratschläge für das Autofahren mit Maxirock gibt.

"Kleider machen Deutsche" ist ein unterhaltsamer Ritt durch die Geschichte, der leider abrupt endet. Denn so ist das mit Lockmitteln: Hat man erst mal angebissen, will man immer mehr.

"Kleider machen Deutsche" Mo. 30.5. und Mo. 6.6., jeweils 21.00 Uhr, ARD