Fesselnd und überraschend: der Psychothriller “Zweifel“ im Theater Kontraste der Komödie Winterhuder Fährhaus

Hamburg. In letzter Zeit sorgten Missbrauchsklagen gegen Priester oder Lehrer in kirchlichen Schulen immer wieder für Schlagzeilen. Der amerikanische Autor John Patrick Shanley hatte die Nase vorn und landete mit seinem Psychodrama "Zweifel" einen Broadway-Erfolg, der 2008 mit Meryl Streep in der Hauptrolle ("Glaubensfrage") auch ins Kino kam. Das Stück wurde zum Hit, weil es Kolportage vermeidet und nicht auf Skandal abzielt. Denn Shanley geht mit dem heiklen Thema raffiniert und feinsinnig um: Er vermeidet im Vier-Personen-Stück eindeutige Schuldzuweisungen. Jede der Figuren wird wegen ihrer Lebensumstände zum Opfer und Täter. Dieser Herangehensweise folgt auch Folke Braband in seiner klaren, auf die Spannung der Dialoge konzentrierten Inszenierung des Stoffs im Theater Kontraste der Komödie Winterhuder Fährhaus.

Die Zuschauer sind im kleinen Saal um das Spielpodium in Kreuzform gruppiert. Zwischen ihnen sitzen die Schauspieler, signalisieren: Wir kommen aus euren Reihen. Sie sprechen das Publikum direkt an, sind hautnah zu erleben beim verbissenen Ringen um die Aufklärung eines unbewiesenen Verdachts. Schulschwester James (naiv und vertrauensselig: Katja Götz) hat Pfarrer Flynn (Tommaso Cacciapuoti) mit dem einzigen schwarzen Schüler beobachtet und berichtet davon der strengen Schwester Aloysius (Doris Prilop). Die Schuldirektorin und der Pfarrer vertreten zwei konträre Erziehungssysteme. Aloysius besteht auf Härte und scharfe Kontrollen. Flynn findet, die Kirche sollte menschlicher, moderner und umgänglicher sein, eine Schule eben, kein Gefängnis.

Von Szene zu Szene steigern sich Zweifel und Spannung. Sie erreichen mit dem Auftritt der Mutter des Jungen ihren Höhepunkt. Denn Mrs. Muller (großartig: Adisat Semenitsch) ist einzig und allein um das Leben und die Zukunft ihres mutmaßlich homosexuellen Sohnes besorgt und appelliert an die Menschlichkeit der hartherzigen Sittenrichterin, die sich als Nonne in der patriarchalen Hierarchie der Kirche ohnmächtig und unterlegen fühlt. Auch wenn sich die Wahrheit immer wieder andeutet, bleiben bis zuletzt "Zweifel". Damit und gegen den ungerechten Boulevard-Verdacht hat auch das Theater Kontraste immer wieder zu kämpfen.

Nicht nur diese spannende und exzellent gespielte Aufführung wird dem Anspruch der Komödie, intelligente Stücke mit Biss und subtilem Humor auf kleiner Bühne zu präsentieren, völlig gerecht. Komödien-Besucher sollten den Blick ins Kontraste-Theater wagen und auch feingeistige Boulevard-Muffel könnten sich einmal eines Besseren belehren und vom intimen Erlebnis kleiner, klug geschriebener und trotzdem komödiantischer Stücke überraschen und fesseln lassen.

Zweifel bis 17.6., jeweils 19.30, Theater Kontraste in der Komödie Winterhuder Fährhaus (U Hudtwalckerstraße), Hudtwalckerstraße 13, Karten 19,-/erm. 13,50 unter T. 48 06 80 80; Internet: www.komoedie-hamburg.de