Knallharte Spannung in dem atemberaubenden Actionthriller “Wer ist Hanna?“. Doch auch der Humor kommt in diesem Film nicht zu kurz.

Wer mit dem Vorwissen, dass es sich hier um einen knallharten Actionthriller handelt, erwartungsvoll im Kinosessel sitzt, wird sich erst einmal verdutzt die Augen reiben. "Wer ist Hanna?" beginnt nämlich in einer schneebedeckten, menschenleeren Landschaft, von Kameramann Alwin Kuchler spektakulär eingefangen. Ein junges Mädchen verfolgt mit Pfeil und Bogen einen Hirsch und erlegt ihn schließlich. Während es sich an dem Kadaver zu schaffen macht, schleicht sich ein Mann von hinten an und sagt: "Du bist tot!" Plötzlich entbrennt ein Kampf mit Handkante und Fußkick, bei dem das Mädchen unterliegt.

Noch weiß der Zuschauer nichts über Ort und Zeit des Geschehens. Befinden wir uns in einem Märchen? In einem apokalyptischen Science-Fiction-Film? Doch allmählich kristallisieren sich die Fakten heraus: Die 16-jährige Hanna (Saoirse Ronan) lebt mit ihrem Vater Erik (Eric Bana), einem ehemaligen CIA-Agenten, in einer schlichten Holzhütte mitten in der finnischen Wildnis. Ein Versteck, so viel steht fest. In seiner Furcht, dass dem Mädchen etwas passieren könnte, hat Erik seine Tochter in eine Kampfmaschine verwandelt. "Du musst immer bereit sein", bläut er ihr ein, und so beherrscht Hanna Martial Arts und den Umgang mit Waffen perfekt. Sie spricht mehrere Sprachen und hat jedes Wort eines Konservationslexikons auswendig gelernt.

Hanna kennt die Fakten, aber nicht das Leben. Sie hat noch nie mit einer Frau gesprochen und war noch nie in einer Großstadt, von allen anderen Annehmlichkeiten des Lebens einmal ganz abgesehen. Doch nun will Hanna hinaus in die Welt. Das ruft allerdings CIA-Chefin Marissa Wiegler (Cate Blanchett) auf den Plan, die mit Erik noch eine Rechnung offen hat und Hanna ganz offensichtlich als Bedrohung für die Sicherheit der USA ansieht. Die Jagd ist eröffnet, und Marissa führt sie mit scharfem Geschütz.

Eigentlich ist der Gedanke, dass hier ein junges Mädchen, ohne mit der Wimper zu zucken, tötet, sehr verstörend. Bereits in "Kick-Ass" (2010) ging dieses Konzept daneben, weil eine ironische Fallhöhe nicht zu erkennen war. Doch Joe Wright, bekannt durch seine sensiblen Literaturverfilmungen "Stolz und Vorurteil" (mit Keira Knightley) und "Abbitte" (ebenfalls mit Saoirse Ronan), hat mehr zu bieten als der selbstgefällige, vulgäre Vorgänger. Hier geht es um Erwachsenwerden, um Realitätswahrnehmung und den Versuch, Action einmal anders zu inszenieren, origineller, nicht ganz so martialisch und vielleicht sogar poetischer.

Der Tanz von Hanna und ihren Verfolgern über schwebende und sich einordnende Container in einem Hafendock ist schlicht atemberaubend, und auch andere Actionszenen zeugen von cleveren Ideen und sicherer Inszenierung. Die Handlung entwickelt sich schnell und schnörkellos, ohne Umwege oder unnötige Zwischenspiele. Sogar der Humor kommt nicht zu kurz: Wenn Hanna die Welt kennenlernt, von der Elektrizität über die Jungs bis zum eigenartigen Benehmen und Zusammenleben einer Familie, der Hanna sich anschließt, darf geschmunzelt werden.

Dummerweise hat der Film auch seine Schwächen: So legt Cate Blanchett ihre Rolle als humorlose Geheimdienst-Domina, die sich dauernd mit Zahnseide das Gebiss reinigt, als lächerliche Karikatur an, und Tom Hollander ist als verrückter Killer einfach unerträglich. Doch Saoirse Ronan, die Ende Juni auch in Peter Weirs "The Way Back" zu sehen ist, gleicht diesen Mangel an Feingefühl durch ihr Charisma und die vielschichtige Interpretation ihrer Figur wieder aus. Klasse, wie sie sich vom wilden Kind zur toughen Frau wandelt.

++++- Wer ist Hanna? USA/D 2011, 111 Min., ab 16 J., R: Joe Wright, D: Saoirse Ronan, Eric Bana, Cate Blanchett, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Streit's (OF), UCI-Mundsburg/Othmarschen/Smart-City; www.wer-ist-hanna.de