“Panorama“, das einst als Speerspitze des “Rotfunks“ galt, widmet sich nun vor allem dem Enthüllungsjournalismus - und dauert heute länger.

Hamburg. Heute Abend um 22 Uhr wird es bei "Panorama" so sein wie in der guten alten Zeit - zumindest ein bisschen. Statt wie sonst 30 wird die Sendung mal wieder 45 Minuten dauern. Die zusätzliche Viertelstunde ist so etwas wie ein Geburtstagsgeschenk der ARD an ihr ältestes Politmagazin, das dieser Tage sein 50-jähriges Bestehen feiert. Am 4. Juni 1961 ging "Panorama" erstmals auf Sendung.

Die Bedeutung des von Gert von Paczensky und Rüdiger Proske gegründeten Magazins war in den ersten drei Jahrzehnten seines Bestehens gewaltig. Als erster Redaktionsleiter moderierte Paczensky einen Beitrag schon mal so an: "Nun wollen wir uns noch ein wenig mit der Bundesregierung anlegen." Ein solcher Satz im öffentlich-rechtlichen Fernsehen galt in den frühen 60er-Jahren als Ungeheuerlichkeit. Schnell stand das Magazin im Ruf, die Speerspitze des "linken Rotfunks" zu sein, den manche Konservative im NDR sahen. Besonders hoch her ging es, als Alice Schwarzer am 11. März 1974 für "Panorama" vor laufender Kamera eine Abtreibung zeigen wollte. Die ARD-Intendanten verboten die Ausstrahlung des Beitrags. Daraufhin weigerte sich die Redaktion um den damaligen Redaktionsleiter Peter Merseburger, vor die Kamera zu treten. Nach dem Vorspann sahen die verblüfften Zuschauer ein leeres Studio, in dem nur "Tagesschau"-Sprecher Jo Brauner saß, der eine Erklärung der Redakteure verlas.

Hohe Wellen schlug auch ein Beitrag über die Proteste gegen den Bau des Atomkraftwerks Brokdorf vom 15. November 1976. Er führte dazu, dass der damalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Gerhard Stoltenberg, den NDR-Staatsvertrag kündigte. "Früher", sagt der derzeitige "Panorama"-Redaktionsleiter Volker Steinhoff, "haben wir die Welt verändert, ohne viel zu enthüllen." In den ersten Jahrzehnten des Magazins reichte es, für oder gegen etwas klar Stellung zu beziehen, um die Republik in Wallung zu versetzen. Eine der ersten richtigen Enthüllungen gelang einem "Panorama"-Redakteur namens Stefan Aust, der 1978 aufdeckte, dass der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Karl Filbinger noch unmittelbar vor Ende des Zweiten Weltkriegs Todesurteile gegen fahnenflüchtige Wehrmachtssoldaten verhängt hatte. Aust wurde später "Spiegel"-Chefredakteur. Auch andere namhafte Publizisten arbeiteten für "Panorama", etwa der spätere "FAZ"-Herausgeber Joachim Fest, Manfred Bissinger, der 1993 "Die Woche" gründete, oder der Historiker Sebastian Haffner. Auch Ulrike Meinhof produzierte 1965 Beiträge für das Magazin - fünf Jahre bevor sie in den Untergrund abtauchte.

Nach dem Ende des Kalten Krieges verloren ideologische Grabenkämpfe an Bedeutung. Auch die Rolle von "Panorama" relativierte sich. Die Redaktion verlegte sich vor allem auf investigative Reportagen. Doch politische Magazine hatten es nun schwer in der ARD. 2006 kürzte der damalige Programmdirektor Günter Struve ihre Sendezeit von 45 auf 30 Minuten. Die Redaktion von "Panorama" entdeckte daraufhin das NDR Fernsehen als neue Abspielfläche. Seit 2008 läuft dort das monothematische "Panorama - Die Reporter". Am 14., 21., und 28. Juni startet die Redaktion als Testballon jeweils um 21.15 Uhr eine norddeutsche Ausgabe des Politmagazins: "Panorama Nord".

Im Ersten bleibt nach dem Jubiläum wieder alles beim Alten: Trotz jüngster Erfolge wie den Reportagen über den Textildiscounter Kik und den AWD-Gründer Carsten Maschmeyer dauern "Panorama"-Sendungen künftig wieder 30 Minuten. Die Reportage "Unbequem und unbestechlich - 50 Jahre Panorama" schaffte es erst gar nicht ins Erste. Das NDR Fernsehen zeigt sie am Sonnabend um 23.15 Uhr.

Auf Panorama.de zeigt die Redaktion die besten Beiträge aus 50 Jahren.