Die Sängerin und Gitarristin Heather Nova ist mit ihrem Album “300 Days At Sea“ zu ihren Anfängen zurückgekehrt

Sirenen sind weibliche Wesen aus der griechischen Mythologie, die mit ihrem betörenden Gesang Seeleute anlocken, um sie dann zu töten. Heather Nova ist wegen ihrer sich hochschraubenden Stimme oft als "Sirene des Pop" bezeichnet worden, und das wohl auch, weil sie als Kind viele Jahre mit ihrer Familie auf einer Yacht im Atlantik gelebt (und eine Platte dieses Namens aufgenommen) hat. Das Meer lässt sie nicht los, auch wenn sie selbst in vielerlei Hinsicht festen Boden unter ihren Füßen hat. Sie kann auf eine solide Karriere blicken, das Vagabundieren ist weniger geworden, seit sie vor fünf Jahren Mutter geworden ist. Sie ist zu ihren Wurzeln auf die Bermudas zurückgekehrt, wo sie in einem großen Haus mit Mann Felix und Sohn Sebastian lebt, dicht am Meer, auf einer kleinen Insel. "300 Days At Sea" heißt ihr aktuelles achtes Album, es ist eine Erinnerungsreise zurück in Novas Kindheit.

"Eines Tages sprach mich in einem Lebensmittelladen ein Mann an, der sagte, er habe etwas für mich. Er gab mir den Kompass unseres Schiffes ,Moon', das mein Vater verkauft hatte und das vor einigen Jahren an den Klippen zerschellt war. Ich brach in Tränen aus, weil plötzlich so viele Erinnerungen hochkamen", erzählt Heather Nova. Später schrieb sie über diese Begegnung dem Song "Turn The Compass Round". Auch über die "Moon" gibt es ein Lied. "Dieser Mann fuhr mich zu der Stelle, wo das Boot auf dem Meeresgrund lag. Es war wie der Blick in ein Grab."

Heather Nova gehört zu den Künstlerinnen, die kein großes Geheimnis um ihr Privatleben machen. Viele ihrer Songs haben autobiografische Bezüge, und sie redet offen darüber. Über zerbrochene Beziehungen, über eine Fehlgeburt, über ihr soziales Engagement und über ihre Ängste. Dennoch: "Es fällt mir schwer, in der Öffentlichkeit vor Leuten zu sprechen." Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, wie viele Shows sie in ihrem Leben schon vor Tausenden Zuschauern gegeben hat. Lachend räumt sie ein: "Singen kann ich, bis die Kühe nach Hause kommen." Aber Solo- oder Duo-Shows favorisiert sie weniger, als mit einer ganzen Band zu spielen: "Da kann man sich innerhalb des Ensembles etwas verstecken."

Mit "300 Days At Sea" ist die 43 Jahre alte Sängerin und Gitarristin stilistisch zu ihren Anfängen zurückgekehrt. Nachdem ihre letzten Alben sehr sanft und zurückgenommen klangen, wird auf ihrem inzwischen achten Studioalbum wieder gerockt. David Ayers, als Gitarrist schon auf "Oyster" dabei, kam zu den Aufnahme-Sessions ebenso auf die Bermudas wie Geoff Dugmore, der auf "Siren" getrommelt hatte. Heathers Mann Felix Tod produzierte die neue Platte in ihrem Haus. "Das Studio ist zu klein, also haben wir die ganze Ausrüstung ins Wohnzimmer verfrachtet. Die Atmosphäre war sehr entspannt, weil wir uns schon lange kennen. Außerdem mussten wir viele Pausen machen, denn das Haus besitzt keine Klimaanlage. Wenn es zu heiß war, sind wir schwimmen gegangen."

Die zierliche Künstlerin ist stolz darauf, dass "300 Days At Sea" eine "grüne" Platte geworden ist, denn ihr Haus wird komplett mit Solarstrom versorgt. Seit sie vor einigen Jahren aus London in ihre Heimat zurückgekehrt ist, hat sie sich auf den Bermudas für eine Reihe von Umweltschutz- und sozialen Projekten engagiert. Die Erhaltung der Natur ist ihr ebenso wichtig wie die Überwindung der Kluft zwischen Arm und Reich. Die schnelle Rocknummer "Stop The Fire" handelt von schwarzen Jugendgangs, die den Reichtum auf der Inselgruppe sehen, aber von ihm ausgeschlossen sind. "Wir müssen uns mehr um Integration bemühen und Programme unterstützen, die Bildung verbessern und das Selbstbewusstsein stärken", sagt sie. In einer Gemeinschaft mit nur 65 000 Einwohnern habe man die Möglichkeit, etwas auszurichten.

Auch ein großes Thema wie globale Erwärmung hat sie sich vorgenommen, es allerdings in eine ganz private Erzählung gepackt. "Save A Little Piece Of Tomorrow", ebenfalls als druckvoller Rocksong geschrieben, ist das Versprechen an ihren Sohn, mit eigenem Beispiel wie ihrem Solarhaus dafür zu sorgen, dass der Meeresspiegel nicht ansteigt - die flache Inselgruppe der Bermudas würde überspült werden.

"300 Days At Sea" ist Heather Novas persönlichste Platte geworden und ihre beste. Man spürt, wie sicher sie sich mit den anderen Musikern fühlt und wie befreit sie singen und spielen kann. Zwar gibt es auch auf diesem Album Balladen, wie das ergreifende "Everything Changes" und "Burning To Love", aber diesmal kommt sie fast ohne Pathos aus. Nova und ihre Band rocken wie vor 15 Jahren, der Eröffnungssong "Beautiful Ride" mit seinem treibenden Beat klingt programmatisch für diesen "grünen" Rock. Aufgenommen wurde das Album übrigens nur tagsüber. Die Erklärung ist plausibel: "Nachts waren die Frösche zu laut."

Heather Nova: 300 Days At Sea (Embassy Of Music); www.heathernova.com