John Patrick Shanleys Erfolgsstück “Zweifel“ über einen angeblichen Missbrauchsfall kommt in der Theaterreihe “Kontraste“ auf die Bühne

Winterhuder Fährhaus. Manchmal ist Theater schneller als die Realität: Als John Patrick Shanley vor sieben Jahren seine Bühnenparabel "Zweifel" über den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs in einer christlichen Erziehungsanstalt schrieb, war das Thema in den amerikanischen Medien nicht präsent. Kurze Zeit später wurden gleich mehrere Fälle in der Öffentlichkeit bekannt. Die Wellen schlugen hoch. Als Regisseur Folke Braband das Stück im vergangenen Herbst erfolgreich an der Vaganten-Bühne Berlin herausbrachte, häuften sich auch hierzulande die Verdachtsfälle. Die ohnehin von Gläubigenflucht gebeutelte katholische Kirche sah sich mit weiteren Austritten konfrontiert, Priester gerieten ins Zwielicht. Von diesem Mittwoch an ist Brabands Inszenierung in der ambitionierten Reihe "Kontraste" im Winterhuder Fährhaus zu sehen.

Braband fasziniert das Stück auch jenseits der Aktualität. "Das ist eigentlich kein Missbrauchsstück", sagt der Regisseur. "Man muss den Titel ernst nehmen. Es geht darum, was mit uns passiert, wenn eine Person in Verdacht gerät. Wo werden wir korrumpiert?" Das Vier-Personen-Stück sei vor allem ein gut gebauter Psychothriller. Schließlich ist Zweifel wie ein Gift, das sich partout nicht zersetzen will, solange die Wahrheit im Dunkel bleibt.

Die Frage der Korrumpierung beschäftigt in dem Stück die gestrenge Schwester und Schuldirektorin Aloysius. Pater Flynn ist mit seiner Weltoffenheit bei den Schülern der christlichen Schule außergewöhnlich beliebt - und ihr ein Dorn im Auge.

Und so wird sie hellhörig, als eine junge, ehrgeizige Schwester einen verdächtigen Vorfall meldet. Offenbar hat sich ein Schüler nach einem Treffen mit Pater Flynn merkwürdig verhalten und Messwein konsumiert. Eine Hexenjagd auf den Geistlichen beginnt. Und ein Machtduell zwischen Schwester Aloysius und Pater Flynn, den sie mit dem Anspruch absoluter Unfehlbarkeit sogar mithilfe einer Lüge zu überführen sucht. Allein, die Lösung bleibt aus. "Ich habe große Zweifel", sagt Schwester Aloysius am Schluss des Stückes. Eine Aussage, die sich sowohl auf das Verhalten des Paters als auch auf ihren eigenen Glauben beziehen kann.

"Zweifel" ging allein in New York mehr als 500-mal über die Bühne. 2005 wurde das Stück mit dem Pulitzer-Preis für Theater und einem Tony für das beste Theaterstück dekoriert. Shanley selbst verfilmte den Stoff unter dem Titel "Glaubensfrage" prominent mit Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman in den Hauptrollen.

Die karg gehaltene Inszenierung setzt ganz auf die Darsteller und die eingeschriebene Spannung. Zusätzliche Brisanz erhält der Stoff durch die Tatsache, dass die Mutter des angeblichen Opfers bei diesem eine homosexuelle Neigung vermutet, ihren Sohn aber unbedingt auf der Schule belassen will, auf der er vor seinem gewalttätigen Vater geschützt ist. Nach der Vorstellung dürfte auch in Hamburg das Rätselraten losgehen. Mit dem Darsteller Tommaso Cacciapuoti wird der Pater von einem ausgesprochenen Sympathieträger verkörpert. Eine zusätzliche, vom Regisseur geschaffene Fallhöhe. Braband inszeniert das Stück nicht auf eine Lösung hin. "Ich habe natürlich eine Meinung dazu." Welche, verrät er nicht.

John Patrick Shanley ging selbst auf eine private katholische Schule. "Das Stück trägt auf jeden Fall autobiografische Züge", sagt Folke Braband. Für die junge Schwester findet sich ein reales Vorbild an der Schule des Autors.

Unter der Oberfläche des Plots gibt es aber noch eine zweite, politische Ebene. 2003 war auch das Jahr, in dem die USA in den Krieg gegen den Irak eintraten. Die Begründungen - der Besitz von Massenvernichtungswaffen und die Mitwirkung an den Terroranschlägen auf das World Trade Center - haben sich inzwischen als falsch erwiesen. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Stück noch einmal ganz anders lesen. Als eine Mahnung zur Wachsamkeit gegenüber Glaubensrichtungen und Ideologien, die manchmal allzu überzeugend erscheinen.

Zweifel: Premiere Mi 25.5., 19.30, Winterhuder Fährhaus (U Hudtwalckerstraße), Hudtwalckerstraße 13, Karten 19,-/erm. 13,50 unter T. 48 06 80 80