Das Shigeyama-Ensemble aus Kyoto spielt Mozarts Oper “Die Zauberflöte“ als japanisches Kyogen-Theater

Thalia-Theater. Mozarts "Zauberflöte", diese Oper aller Opern, haben wir schon in unzähligen Varianten erlebt. Ob als Hochamt oder Slapstick, als Intrigantenstadl, Haremskrimi oder modifizierte Schöpfungsgeschichte samt Stofftieren - es gibt kaum eine Lesart, die das Werk noch nicht über sich hätte ergehen lassen müssen. Und mit seiner Spannweite zwischen der gefiederten Naivität Papagenos und dem salbungsvollen Freimaurerton eines Sarastro gibt es sie sogar alle her.

Jetzt haben die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und das Shigeyama-Ensemble aus Kyoto etwas wirklich Neues ausgeheckt: Sie bringen "Die Zauberflöte" als Bearbeitung in der Tradition des japanischen Kyogen-Theaters auf die Bühne. 2009 haben die Künstler sie in Japan gezeigt, heute Abend hat das Crossover-Unternehmen Premiere im Thalia-Theater.

Masayasu Komiya, der Verfasser des japanischen Librettos, hat die Oper dafür gleichsam auf Taschenformat gebracht. Er hat einen "Geist des Klangs" hinzugefügt, der für die magische Kraft von Zauberflöte und Glockenspiel zuständig ist. Mozarts Personal beziehungsweise das des Librettisten Emanuel Schikaneder hat er auf fünf Rollen zusammengekürzt: Papageno und Papagena heißen jetzt Taro und Hanako, Tamino ist schlicht "Prinz", Pamina taucht nur als Bildnis auf. Sarastro wird "Lehrmeister des Tages" - als Gegensatz zur Königin der Nacht. Die darf ihre Bezeichnung behalten, aber auf ihre berühmte Rachearie mit den Hochleistungskoloraturen müssen die Hörer verzichten: Beim Kyogen wird nämlich nicht gesungen, sondern gesprochen und parodiert, und zwar ausschließlich von Männern. Schade - die Rachearie mit Falsettstimme gekiekst, das wär's doch mal.

Sonst aber garantiert die reine Männerbesetzung reichlich komische Momente. Ähnlich wie in Europa bei der antiken Tragödie und später bei Shakespeare-Dramen oder Barockopern, wo man erheiternde Zwischenspiele einschob, bringen beim Kyogen Narren und Gecken in farbenreichen Gewändern, Herren und Diener - Frauen und allerhand Fabelwesen werden mit Masken angedeutet - Abwechslung zum Drama.

Die Darsteller erläutern und parodieren aber auch die Handlung des Hauptstücks - zur Belustigung der Zuschauer. Jedenfalls für die, die zufällig Japanisch beherrschen. Alle übrigen müssen sich mit dem begnügen, was sie dem Spiel nonverbal an Sinn entlocken können, der manchmal recht derben Körpersprache und dem Tonfall. Der kommt für westliche Ohren recht einheitlich näselig daher, mit gelegentlichen juchzenden Ausreißern.

Weil die Globalisierung auch an Japan nicht spurlos vorbeigeht, öffnet sich das gut 600 Jahre alte Kyogen westlichen Einflüssen. So findet man heute in den Stücken Slapstickelemente à la Buster Keaton und Charlie Chaplin. Auch die Zusammenarbeit mit der Deutschen Kammerphilharmonie kommt nicht von ungefähr. So allgegenwärtig nämlich Mozart in Japan sein mag, seine Opern sind es nicht; Oper hat in Japan keine Tradition. Da trifft es sich doch, dass die Bläsersolisten der Kammerphilharmonie sich auf sogenannte Harmoniemusiken spezialisiert haben: Bearbeitungen von Mozart-Opern für Bläseroktett. Die gab es schon zu Mozarts Zeiten; in adligen Kreisen schmückte man mit Harmoniemusiken seine Gesellschaften. Und schon im 19. Jahrhundert fand das Genre seinen Weg nach Japan.

Was aber hat nun gerade die "Zauberflöte" mit japanischem Theater zu tun? Schließlich haben Mozart und Schikaneder doch Ägypten gefeiert! Behauptet jedenfalls die Rezeptionsgeschichte. Dagegen verweisen die Verfechter der japanischen "Zauberflöte" auf die fast hysterische Asienmode im 18. Jahrhundert. Schützenhilfe bekommen sie von höchster Instanz, nämlich dem Libretto selbst: Gleich seinen allerersten Auftritt absolviert Tamino "in einem prächtigen japonischen Jagdkleide". Na bitte.

"Die Zauberflöte" als Kyogen-Theater heute, 20.00, Thalia-Theater (S/U Jungfernstieg), Alstertor 1, Karten zu 35,- bis 13,- unter T. 32 81 44 44; www.kammerphilharmonie.com