Ein konsequenter Abend mit “Neutral Hero“ auf Kampnagel

Hamburg. In Teilen Amerikas glaubt man noch an eine übergeordnete Macht. Und an die Kraft von Geschichten, die dunkle Zeiten erhellen. Eine solche erzählt der New Yorker Theatermacher Richard Maxwell in seiner neuen Produktion "Neutral Hero", die jetzt in deutscher Erstaufführung auf Kampnagel gastierte. Ein gewisses Unbehagen muss Intendantin Amelie Deuflhard zuvor allerdings geplagt haben. In einer Einführung bereitete sie die Besucher darauf vor, dass der Abend durchaus "anstrengend" werden könne. Mal abwarten.

Die Bühne gleicht einem Gemeindezentrum, in dem sich die zwölf Darsteller der New York City Players mit ernsten Gesichtern zur Versuchsanordnung gruppieren. Das Ungeformte ist hier Konzept, wenn die Schauspielerinnen und Schauspieler, vom Freak-Folk-Anhänger mit Fitzsimmons-Vollbart bis zum sportlichen jungen Mädchen, geografische Details eines 2500-Seelen-Kaffs umreißen, in dem man "unendlich Zeit" hat, "sich zu langweilen".

Von hier aus sucht ein "Neutral Hero" die Liebe, eine Richtung im Leben und den lange verschollenen Vater. Er will "wieder fühlen können". Doch neutrale Helden gibt es naturgemäß nicht, der Himmel gibt keine Antworten, und manchmal ist noch nicht einmal die Frage klar.

"Dieses Leben haben sich meine Väter verdient", heißt es da, "Ich bete mit dem Herzen" oder "Mein Sohn will wissen, warum er ist, wie er ist". Es bleiben assoziative Textflächen, vorgetragen mit einem schauspielerischen Minimalismus von "Anti-Figuren", die sich jede Mimik verbieten, vor allem aber eines behaupten sollen: reales Leben mit realen Menschen. Die Starrheit der Bewegungen wird durch den Text und ein knappes Dutzend trauriger Folksongs allerdings wohltuend aufgebrochen.

Nein, dieser Abend ist gar nicht anstrengend. Er führt keine Helden vor, aber Richard Maxwell bringt auf formal sehr konsequente Weise den Verlust der Mythen und des geschlossenen Weltzusammenhangs vor Augen.