Hamburg. Zu Beginn erzählt sie die Geschichte vom Esel und der Karotte. Der Bauer hält dem Esel eine Wurzel vor die Nase, und der Esel zieht und zieht den Karren, um das Gemüse zu erreichen. Laurie Anderson vergleicht sich mit dem Grautier, weil auch sie immer weiter voranschreitet, ein Projekt nach dem anderen anschiebt - und das bereits seit vier Jahrzehnten. Nachdem sie länger nicht mehr in Hamburg aufgetreten ist, diente die Kampnagel-Fabrik zwei Abende lang als Spielort für "Delusion". Das ist eine Multimedia-Performance für drei Videoleinwände, ein Sofa, zwei Computerpulte, eine elektrische Geige - und eben für die 63 Jahre alte Laurie Anderson.

Mit ihrer warmen dunklen Stimme erzählt sie vom Sterben ihrer Mutter und den Schuldgefühlen der Tochter angesichts des Todes, sie beschreibt surreale Traumwelten, denkt sich zurück nach Island und malt sich aus, wie es wäre, einen Wikinger als Vorfahren zu haben. Zu den Texten flimmern Videos über die Leinwände. Sie zeigen die tote Mutter auf dem Boden eines Zimmers, das an einen David-Lynch-Film erinnert, fallende Blätter, den Schattenriss ihres Hundes. Zusammen mit ihrem Gesang und dem Klang ihrer Geige entsteht ein verrätseltes Gesamtkunstwerk, das einen eigenartigen Sog auslöst und den Zuschauer in diesen Bilder-Gedanken-Klangstrom mit hineinzieht. Es ist schwer auszumachen, wo Wachzustand und Realität enden und wo die Traumwelten beginnen.

Laurie Anderson führt uns kryptische Trugbilder vor - das kann sie gerne in Hamburg öfter machen.