In “7 Schwestern“ hinterfragt das Performancekollektiv She She Pop den Selbstverwirklichungswahn

Hamburg. So schön und so heiter kann die Langeweile in der russischen Provinz aussehen, wenn das Hamburg-Berliner Performancekollektiv She She Pop sich auf Tschechow einlässt. Dessen sehnsuchtsvoll seufzende "Drei Schwestern" werden da zum Gruppenporträt einer verschworenen Clique der "7 Schwestern", die im Hause Prosorow mit einem Ereignis ringen, das sich zur Seelenkatastrophe auswächst: dem vierzigsten Geburtstag.

Auf fünf Bildschirmen verfolgt der Zuschauer auf Kampnagel das Elend der Schwesternschaft. Johanna Freiburg blickt müde aus einem mit Plüschplunder gefüllten Salon. Sie will sich "als das Individuum, das ich in 40 Jahren mühsam geworden bin" feiern lassen. Muss allerdings erkennen, dass "die Zeit für Flechtfrisuren" vorbei ist. Und für einiges andere auch. An all diesen aufgeklärten Töchtern der Ära der Selbstverwirklichung nagt die Frage, ob sie in der eigenen Utopie denn nun auch zu Hause sind. Sind sie nicht. Lisa Lucassen sitzt abwartend in der kargen Küche, Berit Stumpf rezitiert Tschechow-Sätze aus dem Reclamheft auf einem stillen Ort, und der etwas aus der Schwesternart schlagende Sebastian Bark posiert mit Pelzmütze vor einem Terrassenidyll.

Der Katzenjammer ist groß, und er wird dem Publikum selten tiefschürfend, aber immer intelligent und mit beißender Ironie in Großaufnahme angetragen. In nachlässige Bademäntel gewandet, können die vier noch so hektisch die Backstage-Schauplätze wechseln, sie stecken fest. Fühlen sich abgefrühstückt oder ungenutzt. Entfremdet von der Arbeit, vereinzelt in einer richtungslosen Gesellschaft. Wenig zu lachen haben da auch die Kinder, die auf Bildschirm fünf zugeschaltet werden. Bevor Bark sie nach Moskau schickt, nebelt er sie mit Theoriebrocken ein.

Das Publikum wird zu Oberst Werschinin deklariert, dem "idealen Gast, der etwas verändern soll". Kaum zu glauben, wie viel belebende Anarchie in all dem Nichtstun und der tschechowschen Schwermut stecken. Da entgleist der banale Akt einer Tortendekoration beim Versuch, einen Liebesbrief zu dichten, zum slapstickhaften Highlight. Die Überhöhung des Lebens durch Ironie, und She She Pop versteht sie mal wieder aufs Glänzendste.

She She Pop: 7 Schwestern Termine bis 29.5., 19.30, Kampnagel, Karten T. 27 09 49 49; www.kampnagel