Matthias Arfmann hat für N-Joy ein großartiges Hörspiel über das Flüchtlingsdrama vor Europa komponiert

Hamburg. "Ich habe Durst." Ein schlichter Satz. Genauso wie "Das Boot hat ein Leck". Zwei lapidare Feststellungen, in denen Tod mitschwingt. Zwei Sätze, die zu einer Szenerie führen, die sich seit Jahren jeden Tag auf dem Mittelmeer und auf dem Atlantik zwischen Nordafrika und Spanien abspielt. Flüchtlinge versuchen auf überfüllten Kuttern oder kleinen Booten von Afrika nach Europa überzusetzen. Dorthin, wo sie neues Glück suchen und Unterdrückung, Verfolgung und Folter entkommen wollen. Viele von ihnen scheitern und bezahlen ihre Flucht mit dem Tod. Ertrunken, verdurstet.

Matthias Arfmann, Hamburger Musiker und Produzent, hat sich mit dem Flüchtlingsdrama beschäftigt und über das bedrückende Thema ein einstündiges Hörspiel produziert. Allerdings eines, das sich vom gängigen Format insofern unterscheidet, weil der Wortanteil nur ein Drittel beträgt. Den großen Rest nehmen Songs ein, die Arfmann mit den Sängerinnen Onejiru, Namosuke, Nicole Hadfield und Meli geschrieben hat. Alle gehören zu dem Projekt Sisters, zu dem sich 2001 eine Reihe von afrodeutschen Sängerinnen zusammengefunden hat. Der große Musikanteil hat mit der jungen Zielgruppe zu tun, die Arfmann und seine Sängerinnen erreichen wollen. "Neue Welt" wird am kommenden Montag zwischen 21 und 22 Uhr im NDR auf N-Joy ausgestrahlt. ",Neue Welt' ist ein Stück Edutainment, aber man kann jungen Leuten sicher mehr zumuten, als nur Pink zu konsumieren", sagt Arfmann. "Ich bin sehr froh, dass wir so ein ernstes Thema in einem Jugendformat-Sender unterbringen können."

In den 15 Songs und den zehn Zwischentexten spiegeln sich die Hoffnungen der Flüchtlinge wider: "Es ist nicht mehr weit", "Ich bin auf dem Weg zum Glück". Doch die meisten der Lieder erzählen vom Scheitern. Wie das einer Frau, die nach Gibraltar will, aber in Mauretanien hängen bleibt und in der Prostitution landet. In kurzen prägnanten Sätzen werden immer wieder die Umstände der Flucht erwähnt und wiederholt: "Im Bauch eines Schiffes. Ich bin in eine Stoffbahn gewickelt. Ich kann nicht schwimmen. Auf der Ladefläche eines Trucks. Versteckt hinter Bananenkartons."

"Unser Fokus war der Irrsinn dieser Bewegung. Von der Wüste aufs Wasser und dann wieder zurück in die Wüste, wenn die Boote aufgebracht und zurückgeschickt worden sind. Oder wenn Flüchtlinge tatsächlich Europa erreicht haben und dann wieder ausgeflogen und in irgendeinem Wüstenkaff abgesetzt werden", sagt Arfmann. Musikalisch benutzt er nahezu alle Elemente schwarzer Musik: Soul, Funk, Afrobeat und Hip-Hop. Der Musiker beschäftigt sich schon lange mit Nordafrika und war 1994 an einem Dokumentarfilm beteiligt, damals noch als Mitglied seiner Band Die Kastrierten Philosophen. "Tanger Nonstop" hieß die Doku, die das Leben in der marokkanischen Stadt einfing. "Damals haben wir Interviews mit Fluchthelfern gemacht, die Flüchtlinge von Tanger nach Tarifa gebracht haben", erzählt Arfmann. Auch seine Sängerinnen wissen aus eigener Erfahrung und aus Erzählungen um all das Leid dieser Völkerwanderung in Richtung Norden. Sie sind selbst als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, nur Meli kommt aus den USA.

"Niemand flieht ohne Grund", sagt eine Stimme, während im Hintergrund Polizeisirenen heulen und Hunde bellen. "Ich winke dir zu, ich bin in der Menge. Aus meiner Gegenwart in deine Zukunft." Vor dieser Zukunft liegt ein meterhoher Zaun, dahinter erst die neue Welt. Unerreichbar.

"Neue Welt" Mo 23.5., 21.00 N-Joy