Die Musik von Yael Naim half einst, Computer zu verkaufen. Doch natürlich kann sie viel mehr, wie auf ihrem Album “She Was A Boy“ zu hören ist.

Hamburg. Wer als Musiker mithilfe eines Werbespots in die Köpfe und Herzen der Hörer vordringt, zieht sich die Schmähprosa der Moralisten und den Neid der Mitbewerber zu. Leslie Feist kann ein Lied davon singen. Ihre beschwingte Ode "1234" half 2007, Apple-Geräte zu verkaufen. Auch die melodiöse Schwerelosigkeit von Yael Naims Song "New Soul" kurbelte 2009 den Absatz schicker Computer an. Ihr Album "Yael Naim" ging schon vorher 800 000-mal über den Ladentisch, die Single weitere zwei Millionen Mal. Das aktuelle Album "She Was A Boy" ist in Frankreich ein Hit, die 33-Jährige mit ihrem dritten Victoire de la Musique, dem französischen Echo, bedacht.

Yael Naim kreuzt Folk und Pop der ehrlichen, eingängigen Variante und stäubt eine Prise orientalischen Jazz darüber. Beim Wort Weltmusik legt Naim ihre schöne glatte Stirn in Falten. "Ich mag das Wort nicht. Es hat keine Bedeutung. Ich schreibe einfach Lieder seit ich zwölf Jahre alt bin", sagt sie. Ihren Stil will sie genauso wenig festgelegt sehen wie ihre Person. "Die Gesellschaft zwingt einen dauernd, sich zu positionieren. Dabei bedeutet eine Entscheidung für eine Seite immer auch eine gegen die andere." In Fall dieser Sängerin ist es die Frage, ob sie sich eher als Französin oder als Israelin sieht.

Die Tochter jüdisch-tunesischer Einwanderer lebt bis zu ihrem vierten Lebensjahr in Paris, dann zieht die Familie nach Israel. Hier lernt Naim das Pianospiel, besucht das Konservatorium. Spuren ihrer Begegnungen mit dem Impressionismus Debussys und den Songs Joni Mitchells finden sich reichlich in ihrer Musik. Und sie hat Glück. Ihren Wehrdienst verbringt sie bei Proben mit dem Orchester der Luftwaffe.

Mit 21 Jahren kehrt Yael Naim nach Paris zurück. Akzeptiert, dass sie von nun an zwei Zuhause in ihrem Herzen trägt. Ein Plattenvertrag bei der EMI erweist sich als Fluch. Naim liefert acht Vorschläge für einen "Hit" ab, alle werden abgewiesen. "Plötzlich war ich nur noch von Managern umgeben und nicht mehr von Musikern", sagt Naim. Die Begegnung mit dem karibisch-französischen Perkussionisten David Donatien erlöst sie. Er ordnet, arrangiert und veredelt ihre Musik. Yael Naim vertraut ihrem Instinkt, und der gibt ihr recht.

So paradiesisch leicht wie "She was a Boy" hätte man sich das zweite Album von Norah Jones gewünscht. Unter der Lieblichkeit und dem mädchenhaften Gesang schwelt allerdings eine homöopathisch dosierte Melancholie, ein portugiesischer "Saudade", in dem es um Verlust und ausverkaufte Träume geht. Am besten ist Yael Naim, wenn sie das Dunkle herauslässt, etwa in "Stupid Goal". Eine direkte politische Botschaft hat sie aber nicht: "Wenn ich tolerant bin, geschenen wunderschöne Dinge, wenn ich mich von Angst beherrschen lasse, nur Hässliches."

Nick Cave sagte einmal, es gebe nichts Schlimmeres, als einen Song voller emotionaler Erinnerungen in einer Waschmittelwerbung wiederzufinden. Dem Zauber von Yael Naims Musik könnte auch die nichts anhaben.

Yael Naim & David Donatien: "She was a Boy", bereits erschienen, Tot Ou tard/VF Musiques; www.yaelweb.com