Das Falkensteiner Landhaus ist eines der wichtigsten Baudenkmäler Hamburgs - und erzählt die Geschichte einer wundersamen Rettung.

Hamburg. Es ist die Baustelle ihres Lebens. Und gestern konnte Elke Dröscher, Galeristin, Sammlerin und Chefin des Puppenmuseums Falkenstein, mal wieder sagen: Es ist fertig. Zum 25. Jubiläum der Wiederherstellung des Landhauses Michaelsen im Sven-Simon-Park und zum Abschluss der jüngsten Generalüberholung hatte sie Freunde des Hauses und Nachbarn eingeladen. Denn ohne Elke Dröscher wäre der stilbildende Bau des Architekten Karl Schneider verloren gewesen.

Zur Rettungstat gratulierten neben anderen die Zweite Bürgermeisterin, Dorothee Stapelfeldt, der Kunsthistoriker Hermann Hipp und Wilhelm Hornbostel, ehemals Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe. Gekommen war auch die Tochte des Architekten, Christel Schneider. Alle freuten sich darüber, dass die weiß geschlämmten Ziegelmauern wieder so hell durch das frische Frühlingsgrün strahlen wie 1924. Ermöglicht hat das die großzügige Hilfe der Hermann-Reemtsma-Stiftung.

Hamburgs architektonisch berühmteste Villa liegt harmonisch in einen Hügel am Falkensteiner Ufer eingepasst, dessen halbe Kuppe dafür eingeebnet wurde. Im Zentrum des rechten Winkels zwischen zweistufiger Terrasse und Wohnhaus ragt ein rechteckiger Turm empor. Das Wohnhaus mit dem Walmdach zitiert noch konventionelle Formen. Doch der gesamte Bau ist eine radikale Gegenthese zu Historismus und Jugendstil: Im Rhythmus der Fenster in Wohnhaus und Turm ist klar die damals revolutionär wirkende Ästhetik des "Neuen Bauens" zu erkennen. Das Ensemble fügt sich nahtlos in die Silhouette der Landschaft ein.

Karl Schneider nimmt das später ebenso wieder auf wie das charakteristische Halbrund der Terrassen-Enden. 1923 eine Sensation: das große gekrümmte Panorama-Fenster im Erdgeschoss, das Wohnraum und Landschaft verbindet. Das Haus wirkt von der Parkseite mit seinen kleinen Türen fast abweisend, so als suche es sich genau aus, wen es hineinlassen möchte. Dafür öffnet es sich nach Süden zur Elbe, und der weite Blick Richtung Westen vom Elbhang hinab über den Strom ist atemberaubend. Elke Dröscher sagt: "Haus und Landschaft öffnen die Bewohner zum Fluss und zum Himmel, man fühlt sich frei und geborgen zugleich. Man denkt anders." Sie beschreibt damit auch die seltsam anrührende Komposition aus neuer Sachlichkeit und emotionaler Romantik, die das fast burgartig wirkende Ensemble ausmacht.

Das Landhaus, das demonstriert, wie Neues aus Altem hervorwächst, irritiert in den 20er-Jahren viele Zeitgenossen. Bauherrin ist Ite Michaelsen, Ehefrau eines Hamburger Unternehmers und selbst als Bildhauerin aktiv. Entworfen hat es Karl Schneider. Geboren 1892 in Mainz, hat er bereits als Angestellter in den Architekturbüros von Walter Gropius und Fritz Höger gearbeitet. Der Auftrag fällt in die Inflationszeit 1923 - allein die Bauerlaubnis kostet 1,25 Millionen Reichsmark.

Für Schneider wird es das erste Werk in Alleinverantwortung. Elke Dröscher sagt: "Er schuf eine bewohnbare Skulptur", eine Stil-Ikone, die mit dem Chilehaus zu den meistbesprochenen Hamburger Bauwerken zählt. Walter Gropius präsentiert den Bau auf der Bauhaus-Ausstellung 1925 in Weimar. Bekannte Schlüsselwerke des "Neuen Bauens" entstehen erst später, wie 1927 die Stuttgarter Weißenhof-Siedlung.

Bald ist der junge Architekt in Hamburg gefragt - er bekommt Aufträge für ein Großkino (das Emelka in der Osterstraße), für den zentralen Wohnblock der Jarrestadt und andere (Marie-Louisen-/Ecke Dorotheenstraße, Habichtstraße); jeder kennt die U-Bahnstation Klosterstern mit den markanten Eingangshäuschen. Schneider wird Professor und 1930 zum Leiter der Landeskunstschule gewählt, aber nicht mehr in das Amt eingesetzt. Denn in Deutschland, und sehr früh in Hamburg, brechen andere Zeiten an. 1933 wird Schneider von den Nationalsozialisten als "Kulturbolschewist" aus dem Amt getrieben. 1938 folgt er seiner jüdischen Lebenspartnerin, der Fotografin Ursula Wolff, ins Exil nach Chicago.

Einer der fortschrittlichsten Architekten Deutschlands schlägt sich nun als Designer durch, unter anderem für Küchengeräte; er stirbt 1945 in Chicago, ohne einen einzigen weiteren Bau unter seinem Namen errichtet zu haben.

Ite Michaelsen bewohnt ihr Haus nur vier Jahre, dann vermietet sie es. 1955 kauft es der Verleger Axel Springer - fasziniert von Park, Elbblick und dem ungewöhnlichen Äußeren. Doch das Haus gibt sich im Inneren überraschend intim, die Räume sind relativ klein und niedrig, mehr familiär, nur spurenweise repräsentativ, "eben ans Menschenmaß angepasst", so bringt es Elke Dröscher auf den Punkt. Vielleicht ist der groß gewachsene Verleger, der hier zu neuer Spiritualität findet, auch deshalb dort nie richtig heimisch geworden. Er nutzt es, bis sich sein Fokus Anfang der 60er-Jahre auf Berlin verschiebt, danach bewohnt sein Sohn Axel Springer jr., der sich als Fotograf Sven Simon nannte, einige Räume.

Als er auszieht, verfällt das Gebäude. Die Fenster werden zerstört, der Putz bröckelt, Mauerteile fallen herab. Axel Springer stellt 1970 einen Antrag auf Abriss der Ruine, etwas später auf einen Umbau des Dachs zum Flachdach. Beide verfallen, sein Interesse für das Haus ist erloschen. Elke Dröscher sagt: "Axel Springer hätte sich sicher anders verhalten, wenn ihm damals jemand die kulturhistorische Bedeutung und Schönheit dieses Hauses erklärt hätte."

Nachdem der Sohn des Verlegers im Januar 1980 aus dem Leben schied, schenkt der Vater Park und Haus der Stadt Hamburg. Der Park soll, für die Öffentlichkeit zugänglich, an seinen Sohn erinnern, und das Landhaus "für als besonders förderungswürdig anerkannte gemeinnützige Zwecke" genutzt werden. Elegant ist Axel Springer gleichzeitig die Kosten der Sanierung losgeworden.

Die Stadt sucht nach einer Nutzung; da kann Elke Dröscher den Ersten Bürgermeister Klaus von Dohnanyi für die Idee ihres Puppenmuseums begeistern; 1986 wird ihr das Landhaus von der Stadt für 75 Jahre überlassen. Im Gegenzug verpflichtet sie sich, es aus eigenen Mitteln instand zu setzen und zu erhalten. Das Wiederherstellen kostet damals etwa eine Million Mark; 1986 wird im Erdgeschoss ihr historisches "Puppenmuseum Falkenstein" eröffnet, eine weitere Etage dient als Galerie.

Seit 1988 steht das Meisterwerk der 20er-Jahre endgültig unter Denkmalschutz, gerettet durch couragierte Privatinitiative. Seit gestern zeigt Elke Dröscher in dem Haus die kleine Ausstellung "Jahresringe", in der sie ihre Forschungen zur bewegten Geschichte des Landhauses Michaelsen in Fotografien, Zeichnungen und Zeitdokumenten aufblättert.

Puppenmuseum Falkenstein/Kunstraum Falkenstein (Landhaus Michaelsen), Grotiusweg 79 (im Sven-Simon-Park; S Blankenese, dann Bus 286, Grotiusweg/Mitte). Geöffnet: Di-So, 11.00-17.00, T. 81 05 81, Eintritt: 5,-/3,-