Der schillernde Dirigent Lorin Maazel gastiert mit dem Philharmonia Orchestra London. Als Neunjähriger hatte er erstmal öffentlich dirigiert.

Laeiszhalle. Wenn Lorin Maazel im Spätsommer 2012 seinen neuen Posten als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker antritt, liegt hinter dem Dirigenten eine Karriere, die dann bereits nahezu ein Dreivierteljahrhundert andauert. "Habemus Opapam", scherzte denn auch die "Süddeutsche Zeitung" etwas grantig, als im Frühjahr 2010 die Berufung Maazels als Nachfolger von Christian Thielemann bei den Münchnern bekannt gegeben wurde.

Als Neunjähriger hatte der am 6. März 1930 Geborene erstmals öffentlich ein Orchester dirigiert. Aus dem Wunderkind der Vorkriegsjahre wurde ab den 50er-, 60er-Jahren einer der erfolgreichsten Maestri aller Zeiten, heftig verehrt in vielen Teilen der Welt. Heute gastiert Lorin Maazel mit dem Philharmonia Orchestra London und der holländischen Geigerin Janine Jansen bei Pro Arte in Hamburg.

Eng ist der Name Lorin Maazel mit dem Berlin des Kalten Krieges verknüpft, wo er 1965 das Radiosinfonieorchester übernahm und bis 1971 als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper wirkte. Maazel wurde bei Paris geboren, wuchs aber in den USA auf. "Little Maazel" erstaunte das Publikum auf der Weltausstellung in New York 1939 und wurde in den großen Städten der USA als dirigierendes Wunderkind herumgereicht. In den 70er-Jahren kehrte er zurück - zunächst als Chef des Cleveland Orchestra, dann ging er nach Pittsburgh, und 2002 folgte er auf Kurt Masur in New York. Spätestens dort erwarb Maazel sich den Ruf, der teuerste Dirigent der Welt zu sein. In seiner letzten Saison als Chef des New York Philharmonic Orchestra (2008/09) habe er 3,3 Millionen Dollar Gage verdient, berichtete die "New York Times". Das Wunderkind ist reich geworden.

Dass dem Dirigenten Status, Ego und Symbole einiges bedeuten, bleibt dem Besucher seiner Website nicht verborgen. Auf der Startseite von maestro maazel.com wird die Zeit von einer auf Eastern Standard Time gestellten Rolex angezeigt, YouTube-Links steuert man über den Button "Maestro TV" an. Und dass selbiger derzeit nicht mutterseelenallein auf Tour ist, sondern mit dem Philharmonia Orchestra, erschließt sich erst auf den zweiten Klick. Wer das Violinkonzert spielt, hält die Website auch dort nicht für mitteilenswert.

Als Orchesterleiter genießt Maazel zwar einen hervorragenden Ruf; gleichzeitig kann man sich als Zuhörer und Betrachter seiner Arbeit des Eindrucks einer gewissen Langeweile und Statik nicht erwehren. In der "Zeit" hatte Maazels Altersgenosse Michael Gielen über den Kollegen gesagt, er lächle wie ein Krokodil und dirigiere auch wie eins. Neben der krokodilnotorischen Trägheit: Kräftig zubeißen können muss er dann wohl auch.

Maazel komponierte mehrere Werke für Orchester und Soloinstrumente, Vokalmusik und, recht glücklos, sogar zwei Opern: "Veronica" und "1984" nach dem Roman von George Orwell. Zu den Widmungsträgern seiner Werke zählen der Cellist Mstislaw Rostropowitsch und der Flötist James Galway, die die Kompositionen dann auch uraufführten. Dem Philharmonia Orchestra London ist Maazel seit vielen Jahrzehnten verbunden. Einst durfte er dort dem legendären Dirigenten Otto Klemperer assistieren, von dem er eigenen Aussagen zufolge Entscheidendes über Schlagtechnik und Musik gelernt hat.

Janine Jansen, 33, die heute das Mendelssohn-Violinkonzert streicht, ist in Hamburg ein gern gehörter Gast, auch mit diesem Werk. Zuletzt spielte sie es vor knapp vier Jahren bei einem Laeiszhallen-Gastspiel des Schleswig-Holstein Musik Festivals mit der Tschechischen Philharmonie. In der Kritik der "Welt" hieß es: "Sie tat dies herrlich klar in der Diktion, technisch absolut souverän, sensibel und wach auf die Begleitung hörend, dazu mit einem von Intelligenz geprägten Spielwitz und frei von jeder Allüre. Janine Jansen gründelt nicht nach vermeintlich verborgenen Bedeutungsschichten, sie plustert sich weder in der Tonbildung noch in agogischen Temposchwankungen auf, sie ist weder heroische Kämpferin noch vor Empfindsamkeit anämisch gewordenes Reh. Weil sie auf die genau artikulierte Klangrede der Musik vertraut, vertraut man ihr als Zuhörer."

Nach der Pause erweist Lorin Maazel einem früheren Hamburger Opernkapellmeister die Ehre, dessen Todestag sich am darauffolgenden Tag zum 100. Mal jährt: Gustav Mahler. Die Londoner spielen dessen Fünfte Sinfonie, die mit dem berühmten Adagietto, das Luchino Visconti in seinem Film "Tod in Venedig" ausführlichst als Klangkolorit von Gustav Aschenbachs Seelenpein einsetzte.

Philharmonia Orchestra London mit Lorin Maazel und Janine Jansen, heute, 19.30 Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz, (U Gänsemarkt), Tickets zu 20,- bis 145,- (zzgl. Vvk.-Geb.) unter 01805/66 36 61