Der Songwriter Bill Callahan macht seinen Frieden mit der Heimat, singt am Sonnabend aber auch von Afghanistan und Indianern

Café Keese. Wie macht dieses Amerika das nur? Darf herhalten für alles, was zwischen Himmel und Hölle denkbar ist. So ist das bei Projektionsflächen: Sie sind von allen Seiten bespiegelbar. Amerika, der Anführer der westlichen Welt, ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten oder der Teufel, Hauptsache ein Symbol, Bill Callahans neues Album heißt "Apokalypse" und ist trotzdem sehr freundlich zu den USA. "Oh, America, you are so grand and golden/I wish I was deep down in America tonight", singt Callahan in einem der Songs, der passenderweise "America" heißt.

Der Mythos der goldenen Nation erneuert sich jedes Mal wieder neu, wenn sich die Dichter und Denker an ihm abarbeiten. Sollte mal ein Liedermacher auf die Idee kommen, sich nach Deutschland zu sehnen - nicht auszudenken. Geht halt nicht, und so freuen sich hiesige Freunde des gepflegten Songer/Songwriter-Pops in diesem Frühjahr mit Bill Callahan, 44, der an seinem Heimatland Amerika gelitten hat und jetzt beziehungstechnisch auf einem guten Weg ist. Callahan klingt so versöhnlich wie wohl noch nie, und so langsam ist der Mann aus Austin, Texas, kein Geheimtipp mehr. "Apocalypse" platzierte sich in den deutschen Albumcharts, was immer das heißt in Zeiten, in denen die Plattenindustrie nicht gerade zu den Boombranchen gehört.

Bill Callahan ist als Künstler ein Verdichter, ein Deuter und ein Transformator, er ist auch derjenige, der kollektive Bewusstseinsprozesse zum Ausdruck bringt und Weltauslegung betreibt: Amerika scheint es wieder besser zu gehen zurzeit.

Oder: Es könnte ihm bald besser gehen, wenn es sich denn auf die tröstenden Worte des Bill Callahan besinnt. In der aktuellen Ausgabe des deutschen "Rolling Stone" äußert sich der Musiker liebevoll über seine Heimat. Er denke immer noch, "dass es ein guter Ort ist, ein interessantes Land, in dem viele gute Dinge passieren". Und deshalb habe er Amerika aufmuntern wollen.

Die Liebeserklärung fällt musikalisch etwas schroff aus, so rau und angeschmirgelt, wie die Kompositionen Callahans oft sind. "America" ist ein Folksong, der nicht gerade lieblich ist, dabei aber mit Versen aufwartet wie dieser: "I wish I was on the next flight to America." Wie eine Parole klingt das hier, wobei die negativen Signale, die Amerika aussendet, nicht übersehen werden. "Afghanistan, Vietnam, Iran, Native American/America!/Well everyone's allowed a past they don't care to mention America!/America!", heißt es weiter im Songtext.

Callahan wühlt aber nicht in den tobenden Eingeweiden der ambivalenten Supermacht, er beruhigt sie. Das spiegelt sich im Übrigen in der Musik: Callahans Kompositionen haben, wie eigentlich immer schon, einfache Strukturen, die vor allem auf Wiederholungen beruhen. Wenn Mark Kozelek (Red House Painters, Sun Kil Moon) der kalifornischste und wärmste unter den amerikanischen Songwritern seiner Generation ist, dann ist Callahan derjenige mit dem größten Faible für den Blues.

Dem Folk verdanken beide, wie auch Jason Molina und Will Oldham, das Fundament ihres Sounds. Callahan singt in "Drover" von einer Kuhherde und vom Viehhändler, der sich in der wilden, wilden Landschaft bewähren muss. In Amerika ist es, natürlich, nicht wie auf einem Kindergeburtstag. Callahan ist, wie soll es anders sein in der Welt der Songwriter und Geschichtenerzähler, ein Solitär: Einer Szene gehört er nicht an. Wer sein Land in sich ausbrütet, darf das auch nicht, der muss gleichermaßen unbeeinflusst und nicht abgelenkt sein. Callahan ist der Marlboro-Mann: "One fine morning/I'm gonna ride out/Yeah, one fine morning/I'm gonna rideout."

Vielleicht ist er einer der apokalyptischen Reiter, trotz allem? Der Weltuntergang, er wartet immer am Horizont.

Bill Callahan heute 19.00, Café Keese (S Reeperbahn), Reeperbahn 19-21, Eintritt 22,-