Am 1. Juli wird sich der Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer auf der Jahrestagung des Netzwerks Recherche auf dem Gelände des NDR-Fernsehens in Lokstedt einem Streitgespräch mit "Spiegel"-Redakteur Markus Grill stellen, der auch Vorstandsmitglied bei Netzwerk Recherche ist. Die Diskussion, die noch nicht im offiziellen Programm steht, dürfte das Highlight der Veranstaltung sein. Dennoch gibt es ihretwegen Querelen. Über die umstrittenen Praktiken des von Maschmeyer gegründeten Strukturvertriebs AWD hatte der TV-Journalist Christoph Lütgert in der ARD -Reportage "Der Drückerkönig und die Politik" berichtet. Seine Versuche, mit dem Finanzunternehmer zu sprechen, schlugen fehl. Maschmeyer fühlte sich seinerseits von Lütgert verfolgt und prozessierte gegen ihn.

Netzwerk-Recherche-Vorstand Grill schlug dem AWD-Gründer ursprünglich ein Streitgespräch mit Lütgert vor. Maschmeyer lehnte dies ab. Daraufhin fragte ihn der "Spiegel" -Redakteur, ob er sich denn ein Gespräch mit ihm, Grill, vorstellen könne. Das konnte Maschmeyer. Und er versprach auch, die bei Diskussionen auf der Jahrestagung üblichen Nachfragen aus dem Publikum zuzulassen.

Doch nun fühlte sich Lütgert brüskiert: "Ich halte es für unvorstellbar und für nicht akzeptabel, wenn ausgerechnet das Netzwerk Recherche sich von einem Mann wie Maschmeyer die Bedingungen diktieren ließe", sagt er. Lütgert droht mit seinem Austritt aus der Organisation: "Wenn es dabei bleibt, dass Carsten Maschmeyer beim Netzwerk Recherche auftritt und ich nicht in die Diskussion mit ihm vollwertig und von Anfang an einbezogen werde, bleibt es bei meinem Austritt aus dem Netzwerk." Zwar hat sich auch Grill im "Spiegel" kritisch mit Maschmeyer und dem AWD auseinandergesetzt. Aber Lütgert sieht vor allem sein Werk. "Die NDR-Redaktion von ,Panorama - die Reporter' mit mir als Presenter hat wiederholt offenbart, wie viele Menschen Maschmeyers AWD ins Unglück gestürzt hat", sagt er. Die " Panorama "-Redaktion weiß Lütgert hinter sich. Der NDR will sich, so ein Sprecher, als Gastgeber der Jahrestagung in den Streit nicht einmischen.

Nachtrag: Am Donnerstag sprach das Abendblatt Lütgert erstmals auf seine Auseinandersetzung mit Netzwerk Recherche an. Am Freitagvormittag bat er vergeblich, ein Stück über den Konflikt auf nächste Woche zu schieben. Am späten Freitagnachmittag erschien dann eine Meldung im Online-Dienst mmnews.de ("Maschmeyer-Auftritt Skandal"), die sich auf eine "FAZ" -Geschichte von diesem Sonnabend bezieht und das Geschehen in Lütgerts Sinne wiedergibt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

In der Auseinandersetzung um die Aberkennung des Henri-Nannen-Preises von "Spiegel"-Redakteur René Pfister wurde eine Chance um Aufklärung vertan. Der "Spiegel" hatte für seine an diesem Montag erscheinende Ausgabe ein Streitgespräch geplant, in dem ein Juror, der für die Aberkennung votierte, sich mit einem Jury-Kollegen auseinandersetzen sollte, der dagegen war. "Zeit" -Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hatte als Aberkennungsbefürworter bereits zugesagt. "Geo" -Chefredakteur Peter-Matthias Gaede, der gegen die Aberkennung gestimmt hatte, sagte aber aus Termingründen ab. Und "FAZ"- Herausgeber Frank Schirrmacher zog es als Aberkennungsgegner vor, in seinem eigenen Blatt zu schreiben. So kam das Streitgespräch nicht zustande. Schade. Zwar äußern sich mittlerweile einige Juroren hier und da. Eine systematische Aufarbeitung der Jury-Entscheidung zur Vergabe und zur Aberkennung des Preises ist aber offenbar nicht gewünscht. Anders lässt sich kaum erklären, warum die Juroren vereinbarten, ihre Entscheidung über eine offizielle Erklärung hinaus öffentlich nicht weiter zu kommentieren.