Pianist Piotr Anderszewski fremdelt nur kurz mit der Laeiszhalle

Hamburg. Nach drei Konzerten innerhalb weniger Wochen hätte er sich eigentlich schon ein bisschen heimisch fühlen dürfen. Aber Piotr Anderszewski schien noch etwas zu fremdeln - zumindest zu Beginn des Laeiszhallen-Recitals, mit dem er seine Residenz bei den Elbphilharmonie-Konzerten abrundete. Weniger wegen des süßsauren Auftrittslächelns und seiner scheuen Körpersprache. Sondern weil er zunächst nicht so 110-prozentig fokussiert wirkte wie gewohnt.

In der fünften Französischen Suite von Bach langte der Pianist einige Male daneben, er überspitzte den tänzerischen Groove stellenweise und klang mitunter eine Spur metallisch. Nur in den langsamen Passagen nahm er sich Zeit für feinste Farbschattierungen und lauschte den Klängen versonnen nach. Geht doch. So kennen wir den sensiblen Tastengrübler. Und so präsentierte er sich auch den Rest des Abends.

Bei Schumanns Pedalflügel-Studien, die teilweise klingen, als hätte man Bach durch den Weichzeichner gefiltert. Und bei den gedankenverloren vor sich hin träumenden Chopin-Mazurken, nach denen Anderszewski den Beifall abwehrte, um die Stimmung ins nächste Stück zu retten. Denn auch die abschließende Englische Suite von Bach gründelte unter seinen Händen in trüben Tongewässern. Ihr dunkles d-Moll liegt ihm offenbar näher als das strahlende G-Dur des Eingangsstücks. Jedenfalls gelang Anderszewski hier, am Ende des Konzerts, eine packende Interpretation.

Einen Abend zuvor war Anderszewski im kleinen Saal als Kammermusiker zu erleben. Gemeinsam mit dem Belcea Quartet widmete er sich dem Schostakowitsch-Klavierquintett, das sich auf den ersten Blick versöhnlich gibt. Aber Pustekuchen. Unter der Oberfläche gärt ein bitterböser Unterton. Durch gehämmerte Stakkati demaskierten die Musiker die aufgesetzte Heiterkeit des Scherzos als hohle Fratze; die lärmenden Fröhlichkeitsattacken ratterten wie Maschinengewehrsalven. Das erzwungene Lachen eines gedemütigten Sowjetkünstlers. Puh.

Dass die Belceas auch ohne Anderszewski auf dem höchsten Intensitätslevel unterwegs sind, zeigten die Streicher in Beethovens Quartettkoloss op. 132. Da formten sie einen atemberaubenden Spannungsbogen, vom geheimnisvollen Raunen des Anfangs bis zur Höllenraserei im Finale. Ein vielversprechender Vorgeschmack auf die nächste Saison, in der das Belcea Quartet dann alle Beethoven-Quartette spielen wird.