Mit “Destroyed“ hat Moby ein großartiges Album abgeliefert. Er sagt, es klinge wie eine Großstadt bei Nacht

Moby macht sich eine Tasse Tee. Hantiert hektisch an der Espressomaschine in seinem Hotelzimmer herum, sucht den Schalter für heißes Wasser. Das Gerät arbeitet und gibt ein rhythmisches Geräusch von sich. "Klingt wie ein Maschinengewehr", sagt Moby. Man sieht förmlich, wie es in seinem Gehirn arbeitet und er kurz überlegt, ob aus dieser Klangassoziation nicht ein Track entstehen könnte. Doch im nächsten Moment konzentriert er sich auf das Interview, nicht ohne vorher das Mikrofon in die richtige Position gebracht zu haben. "Ich habe schon so viel in meinem Leben produziert, dass es mich nervös macht, wenn ein Mikro zu weit weg steht", erklärt er kurz.

Der in Harlem geborene Klangkünstler hat ein neues Album produziert und einen Bildband mit eigenen Fotografien gestaltet. Beides trägt den Titel "Destroyed" und beschäftigt sich mit Mobys Schlaflosigkeit. "Ich habe diese Insomnia schon von Kind an. Ich unterscheide eigentlich nur zwischen schlechten und verheerenden Nächten. Mehr als fünf Stunden Schlaf mit Unterbrechungen sind schon das Optimum." Doch diese Störung hat für den Künstler auch etwas Positives. Er kann nachts in seinem Studio ungestört arbeiten, was ihm nach seinem Umzug von New York nach Los Angeles entgegenkommt: "In Los Angeles scheint meistens die Sonne. Da macht es tagsüber mehr Spaß, schwimmen zu gehen oder Rad zu fahren, als sich in ein Studio zu verkriechen."

Ausgangspunkt für "Destroyed" war Mobys Überlegung, ein Album mit herkömmlichen Instrumenten aufzunehmen. Doch dann hörte er vor zwei Jahren "Empires And Dance", ein frühes Album der Simple Minds. "Damals klangen sie wie ein Mix aus David Bowie und Kraftwerk", sagt er. "Da habe ich mich entschieden, ein analoges elektronisches Album zu machen, das klingen soll wie eine Großstadt bei Nacht."

Die 13 Tracks von "Destroyed" hören sich wie ein Kompendium von Mobys bisherigem Werk an. Es gibt Elektro-Nummern, Psychedelia, Soul, Gospel, Funk, Synthie-Pop und einen etwas überraschenden Ausflug ins Mittelalter. "Stella Maris" heißt eine Komposition, "Es ist die älteste Coverversion, die ich je gemacht habe. Sie stammt aus dem neunten Jahrhundert", sagt Moby und lächelt verschmitzt. Norwegische Freunde, das Trio Mediæval, hätten ihm "Stella Maris" vorgespielt. Er macht daraus ein imposantes Stück mit Streichern und Chorgesang.

"Destroyed", diese Zusammenfassung seines bisherigen Schaffens, ist das beste Album, das Moby seit "Play" (erschienen 1999) herausgebracht hat. "Lie Down In Darkness" zum Beispiel durchweht durch die Soulstimme von Joy Malcom und die Streicher eine ähnlich wehmütige Aura wie damals "Why Does My Heart (Feel So Sad)". Mit Emily Zuzik und Inyang Bassey unterstützen zwei weitere Sängerinnen Moby, der sich selbst auch vors Mikro gestellt hat. Bei den Aufnahmen hat der 45-Jährige zum Teil uralte Synthesizer, Drumcomputer und anderes elektronisches Gerät aus den Anfängen der elektronischen Musik benutzt und später an einem Mischpult gemixt, das in den 60er-Jahren bei der BBC eingesetzt wurde. Aufgenommen und produziert hat Moby "Destroyed" sowohl in New York, wo er noch ein kleines Apartment besitzt, als auch in Los Angeles, seinem neuen und sehr inspirierenden Wohnort.

Moby hat seine Heimatstadt New York verlassen, weil der "Big Apple" zu teuer geworden ist. Die Lower East Side, wo er gewohnt hat, ist längst kein Viertel mehr, in dem Künstler die steigenden Mieten bezahlen können. Immer mehr Leute von der Wall Street würden dort hinziehen. In Los Angeles dagegen könne man Apartments für 500 Dollar mieten und - noch wichtiger für Musiker - große Studios.

Neben diesen finanziellen Aspekten fasziniere ihn Los Angeles, weil es eine sehr instabile Metropole sei: "Eigentlich dürfte die Stadt gar nicht existieren. Sie verfügt nicht über ausreichend Wasser, ist von Erdbeben bedroht, und der Regen ist oft so stark, als wolle Gott die ganze Stadt ins Meer spülen." Aber er liebe diese Risiken. "Los Angeles ist auch die einzige Stadt, in der der Mensch nicht an der Spitze der Nahrungskette steht. Wenn du einen Spaziergang machst, kann es sein, dass du von einem Berglöwen oder einer Klapperschlange getötet wirst. Das gibt es sonst nirgendwo."

Die Tasse Tee ist ausgetrunken. Moby entschuldigt sich, dass er so viel geplaudert habe, und nimmt fast überschwänglich das Lob für "Destroyed" entgegen. Er selber könne seine Arbeit nicht objektiv beurteilen, sagt er. Er sei oft überrascht, wenn überhaupt irgendjemand seine Musik höre. "Manchmal wäre ich gerne Thom Yorke. Ich glaube, Radiohead hat niemals eine schlechtere Bewertung für ein Album als acht von zehn Punkten bekommen." Mit "Destroyed" kommt er in ähnliche Höhen, es verdient neun von zehn.

Moby: "Destroyed" (Little Idiot Records)