Die detailreiche Biografie über “Senna“ huldigt einem überragenden Rennfahrer

Michael Schumacher war häufiger Weltmeister und hat mehr Rekorde, von der Anzahl der gewonnenen Rennen über Pole-Positions bis zur Anzahl der schnellsten Runden, eingeheimst. Doch als vollkommenster, als schnellster Fahrer in der Geschichte der Formel 1 gilt noch immer Ayrton Senna.

Senna - das ist der leidenschaftliche Fahrer mit überragendem Talent und erstaunlichen Fähigkeiten hinter dem Lenkrad, aber auch ein verletzlicher Heißsporn, der Stolz und Unrechtsbewusstsein mit Bescheidenheit und tiefer Gläubigkeit verband. Eine schillernde Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, und sein viel zu früher Tod am 1. Mai 1994, als er beim Großen Preis von San Marino ungebremst in eine Mauer krachte, dürfte noch mehr zu seinem Mythos, seiner Legende beigetragen haben. In Brasilien wird er auch heute noch wie ein Held verehrt.

Der englische Regisseur Asif Kapadia hat nun eine packende, aufschlussreiche Dokumentation über Sennas sportliche Karriere im Formel-1-Zirkus inszeniert, die fast wie ein Spielfilm mit klar strukturierten Akten funktioniert: Anfänge, Aufstieg, der Erfolg, der Kampf an der Spitze, schließlich das tragische Ende. Kapadia konnte dabei, unterstützt vom Instituto Ayrton Senna und der Formel-1-Holding von Bernie Ecclestone, auf bisher unveröffentlichtes Material (sogar aus Fahrersitzungen), aber auch zahlreiche Fernsehübertragungen mit spannenden Rennszenen, alte Interviews, TV-Shows, Privatfotos und Super-8-Filme der Familie zurückgreifen. Auf sogenannte "talking heads", also sichtbare Gesprächspartner, hat der Regisseur verzichtet. Interviews mit Kollegen, Konkurrenten und Wegbegleitern liegen über den Bildern als Off-Kommentare. So wird der Erzählfluss nicht gestört.

"Senna" ist streng chronologisch aufgebaut: Mit 13 Jahren bestreitet der Brasilianer, im März 1960 in São Paulo als Sohn reicher Eltern geboren, erste Kartrennen, zehn Jahre später der Einstieg in die Formel 1, dann, im Juni 1984 beim Grand Prix von Monaco, der erste Podiumsplatz nach einer Aufsehen erregenden Aufholjagd von der 13. Startposition aus. Drei Jahre später dann, 1988, holt er im McLaren-Honda seinen ersten von drei Weltmeister-Titeln.

Von nun an profitiert die Dramaturgie des Films von einer Konstellation, die auch ein Drehbuchautor nicht besser hätte erfinden können: die erbittert geführte Konkurrenz mit Alain Prost, der als kühler, intellektueller Stratege gilt und somit der perfekte Antagonist zum sensiblen, instinktiven Senna ist. Eine Erzrivalität, in der beide Fahrer mit Haken und Ösen zurückschlagen. Dummerweise ist zu dieser Zeit auch noch ein Franzose, Jean-Marie Balestre, Chef der FIA und benachteiligt Senna mit aberwitzigen Entscheidungen. So wird der Film, ganz nebenbei, zu einem Essay über sportpolitische Intrigen in der Formel 1.

Das ist natürlich der Stoff, aus dem überlebensgroße Dramen gemacht werden. "Senna" huldigt einem überragenden Sportler, rüttelt ein wenig (aber nicht zu sehr) an seinem Sockel und feiert einen vielschichtigen und darum faszinierenden Charakter, den Michael Schumacher, aus unerfindlichen Gründen nicht im Film, als sein großes Vorbild bezeichnete.

++++- Senna GB 2010, 104 Min., ab 6 J., R: Asif Kapadia, D: Alain Prost, Frank Williams, Ron Dennis, Viviane Senna, Milton da Silva, Neide Senna, Jackie Stewart, täglich im UCI Othmarschen-Park; http://movies.universal-pictures-international-germany.de/senna