“Bad Boy Kummer“ ist ein zu oberflächlicher Dokumentarfilm über einen Journalisten, der Interviews erfand. Gut zehn Jahre ist dies bereits her.

Was macht eigentlich Tom Kummer. Tom wer? Gut zehn Jahre ist es her, dass der Schweizer Journalist als Edelfeder bewundert und wohl auch beneidet wurde. Mit brillanten Geschichten über Hollywood-Promis war er in deutschsprachigen Top-Magazinen, Zeitschriften und Zeitungen vertreten. Seine Texte, von denen Redaktionen und Leser schwärmten, basierten aber eben nicht auf seiner außergewöhnlichen Fähigkeit, Stars wie Charles Bronson, Sharon Stone oder Mike Tyson ungewöhnliche Sätze zu entlocken, die sonst keiner von ihnen zu hören bekam. Kummer hat seine Geschichten erfunden, gefälscht und mit Sekundärliteratur aus seiner Handbibliothek intellektuell aufgebrezelt. Und das flog irgendwann auf. Mit viel Getöse, Schwefelgeruch und Diskussionen um einen Borderline-Journalismus verschwand Kummer damals in der Versenkung. Regisseur Miklós Gimes, den er einst mit Texten belieferte, als er noch Stellvertretender Chefredakteur des Züricher "Tagesanzeigers" war, hat ihn besucht.

Gimes fand aber keineswegs einen in Sack und Asche gehenden Mann, der sich für seine Betrügereien schämt. Der ehemalige Journalist arbeitet heute in Los Angeles als Lehrer für Kleinfeldtennis. Von Reue keine Spur. Die Chefredakteure hätten damals merken können, dass seine Geschichten nicht auf belastbaren Fakten beruhten, behauptet Kummer. So einfach kann man es sich machen. Trotzdem eine interessante These, wie auch der Umstand, dass eben nicht alle wichtigen der so angesprochenen Journalisten sich vor der Kamera dazu äußern wollten.

Für seinen Dokumentarfilm bastelt sich Gimes die These, dass Kummer in irgendwelche Abgründe geblickt haben muss und versucht, diese zu ergründen. Der Regisseur erzählt aber zu oberflächlich von Kummers Fall und Vorgeschichte als West-Berliner Kunst-Performer, der es schon damals mit der Wahrheit nicht allzu genau nahm. Der Frage, welchen Stellenwert die Wahrheit noch hat, wenn die behaupteten Fakten tatsächlich unterhaltsame und Auflagen steigernde Lügen sind, hätte Gimes genauer nachgehen sollen. War das ein "Kavaliersdelikt"? Sagt da jemand Guttenberg?

Dennoch, es fehlt hier an ethischer Tiefenschärfe. So liefert "Bad Boy Kummer" ein harmloses Grundlinienduell mit einem Protagonisten, von dem man sich fragt, warum er sein zweifellos vorhandenes Talent nicht in Fiktion investiert, der es sich aber sonst in seiner Version der Vergangenheit mittlerweile sehr bequem gemacht hat.

Bewertung: annehmbar

Bad Boy Kummer Schweiz/Deutschland 2010, 92 Min., o. A., R: Miklós Gimes, D: Tom Kummer, täglich im Abaton, Zeise; www.kummer-film.ch