In “Utopia Ltd.“ kann sich die Hamburger Band 1000 Robota bei ihren Anfängen zusehen. Heute ist sie bei einer Preview zu Gast im Abaton.

Abaton. Der Raum, in den die Plattenfirma Buback zu Interviews lädt, lässt sich auch einfach als Flur bezeichnen. Auf der einen Seite verläuft die Treppe von der Haustüre nach oben in den ersten Stock, auf der anderen führt ein Gang weiter zu den Büros des Labels. Der Supermarkt im Erdgeschoss wird beliefert, Rattern tönt vom Bürgersteig durch die Fenster. Es klingelt. Der Postbote bringt Pakete. Das Leben, es lässt sich nicht ausschließen. Erst recht nicht auf St. Pauli. Und sowieso nicht in so einem Zwischenraum.

Dass die Hamburger Band 1000 Robota in diesem Durchgangszimmer, an einem schlichten Tisch bei Wasser und Kaffee, von dem Film spricht, der diesen Donnerstag über sie in die Kinos kommt, ist konsequent. Denn der Ausschnitt, den Cutterin und Regisseurin Sandra Trostel aus dem Leben des Hamburger Trios zeigt, dokumentiert gleich mehrere Transit-Zustände. Es sind Entwicklungen, die sich gegenseitig befeuern und auch behindern.

Zwischen 16 und 18 Jahre alt waren Sänger und Gitarrist Anton Spielmann, Schlagzeuger Jonas Hinnerkort und Bassist Sebastian Muxfeldt, als die Kamera sie begleitete. In den Ausläufern der Pubertät öffnen und schließen sich ohnehin verwirrend viele Türen. Bei den drei Robotas waren es noch einige mehr. Sie unterschrieben ihren ersten Plattenvertrag. Sie nahmen ihr erstes Album auf. Sie gingen das erste Mal auf Tour. Sie redeten das erste Mal mit der Presse. Viele erste Male sind es, die in dem Film "Utopia Ltd." zu sehen sind. Zum Beispiel heute bei einer Preview im Abaton-Kino, bei der auch Band und Regisseurin anwesend sein werden.

Nun, mit Anfang 20, mit der zweiten Platte "ufo" im Schrank, blicken sie also zurück. Auf sich. Auf der Leinwand. "Das war eine sehr intensive Zeit. Die brachte auch viel Zerstörerisches mit sich. Grenzen waren nicht wirklich definiert", sagt Spielmann. Wie der Rest der Band trägt er Hemd. Es sieht gebügelt aus. Im Gegensatz zu seinem Gesicht. Das ist von schiefer Schönheit. Ein Gesicht, das sagt: Ich bin nicht einverstanden. Radikal, fragend.

"Wir sind ja ohnehin gesellschaftskritisch. Und natürlich haben wir uns bei dem Film gefragt: Wie empfangen Menschen das?", erzählt Spielmann von dem Moment, als "Utopia Ltd." auf der Berlinale Premiere feierte. Vor einem Publikum von 1000 Leuten. "Aufgewühlt und angekratzt" habe sich das angefühlt, erinnert sich Hinnerkort. Er sitzt vor einer Wand, die mit Kassetten beklebt ist. Die alten Tonträger wirken wie ein Denkmal für eine Ära der Musikindustrie, in der vieles chronologischer ablief. In der sich nicht jeder Song per Taste flugs anwählen ließ. Die Ereignisse passierten der Reihe nach.

"Jeder ist heutzutage in der Lage, sich von seiner allerbesten Seite zu präsentieren. Das macht dieser Film allemal nicht. Da stecken Menschen dahinter, nicht Helden, die auf einmal Popstars sind", sagt Hinnerkort. Naiv sein, Fehler machen, lernen, zugleich unbeirrt sein, auch störrisch. All das erzählt das Doku-Material, das erst durch Trostels Schnitt zur Geschichte wurde. Sie erzählt davon, eine künstlerische Dringlichkeit zu spüren, eine utopische Idee zu verfolgen. "Da wird eine Band dokumentiert, die zwar einen klaren Standpunkt hat, aber noch gar nicht weiß, wo sie steht", sagt Hinnerkort. Spielmann ergänzt: "Wir haben viel ausprobiert. So ähnlich wie Kinder, die auf die Herdplatte fassen." Der Frontmann spricht immer noch mit impulsiver Wucht, wirkt aber entspannter als früher. Gerne wurde die Band in ihren Anfängen mit Etiketten wie frech, geradeaus, arrogant, aggressiv versehen. Aber, so erklärt Spielmann: "Die Leute vergessen, dass man denkt und lebt und zweifelt. Das zeigt der Film auch."

Wer sich mit der Band unterhält, merkt schnell, dass es letztlich um zutiefst menschliche Fragen geht. Zum Beispiel: Wem wollen wir trauen? Sie taten es im Fall von Trostel. "Wir waren wahnsinnig sensibel damals. Mit Situationen nicht zurechtzukommen und dann durchzudrehen war Teil dieser Zeit. Sandra hat es geschafft, so rücksichtsvoll zu arbeiten, dass wir sie kaum bemerken", sagt Spielmann. Diese Situationen, das waren etwa Konflikte im Studio oder an Verzweiflung grenzende Erschöpfung auf einer Konzertreise nach London. Denn auch da ähnelt das Bandleben dem Plattenfirmenflur: Es ist unglamouröser, als viele denken. Das Leben, es bleibt nicht außen vor.

"Utopia Ltd." (Preview mit 1000 Robota und Regisseurin Sandra Trostel) Di 10.5., 20.00, Abaton (Bus 4, 5), Allende-Platz 3, www.abaton.de