Die Ausgezeichneten: Print, Fernsehen, Hörfunk und Internet: In Berlin ist gestern der Axel-Springer-Preis für junge Journalisten verliehen worden.

Berlin. Bemerkenswert! So könnte man rufen und damit die 25 Reportagen und Berichte meinen, die gestern in Berlin mit dem Axel-Springer-Preis für junge Journalisten ausgezeichnet wurden oder eine lobende Erwähnung erhielten. Man könnte. Nur verdürbe man es sich mindestens mit dem Laudator, Autor Benjamin von Stuckrad-Barre, der den jungen Kollegen dringend dazu riet, das Wort "bemerkenswert" wegzulassen. Absolut niemand habe Lust dazu, von Journalisten belehrt zu werden.

Abendblatt-Reporter Volker ter Haseborgs Geschichte "45 Stunden Deutschland" über den Integrationskurs 16, Trägernummer 74790-HH, ein Deutschkurs für muslimische Frauen, zeugte dagegen nach Meinung der Jury von dem Entdeckergeist und der Zähigkeit, die den Leser begeistere. Er habe nicht geurteilt, sondern nur auf eindringliche Weise einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit beschrieben. Für diese Leistung ist ter Haseborg in Anwesenheit von 350 Gästen, darunter Friede Springer und der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, mit einer lobenden Erwähnung ausgezeichnet worden. Er reiht sich damit in die Phalanx derer ein, die seit 1991 in Berlin für exzellenten Journalismus geehrt werden.

Fast vier Wochen lang hat Volker ter Haseborg Ende 2010 beobachtet, wie sich eine kleine Gruppe muslimischer Frauen in Hamburg-Altona abmühte, Deutschland und seine demokratischen Strukturen zu begreifen. Frauen, für die Begriffe wie "Bürgermeister" oder "Bundeskanzlerin" ein Buch mit sieben Siegeln waren. Die nicht wussten, was die Europäische Union ist, geschweige denn, wo Brüssel liegt.

Vier unabhängige Jurys hatten in den Kategorien Print, Fernsehen, Hörfunk und Internet zwölf Storys aus fast 900 Beiträgen ausgewählt und prämiert. Dazu kamen dreizehn lobende Erwähnungen. Die Beiträge handelten von Dramen vor Babyklappen und Castor-Transporten, sie beschäftigten sich mit Internet-Stalkern, Islam-Konvertiten und Züchtern von Turbo-Hennen. Die einen waren bitter, die anderen bitter komisch. Vor allem erfüllten sie die Ansprüche von herausragendem Journalismus, um den es den Erben Axel Springers ging, als sie den Preis vor zwanzig Jahren ins Leben riefen.

Mit ersten Preisen ausgezeichnet wurden in der Kategorie Print überregional Alard von Kittlitz (FAZ), Print regional Katrin Blum (Stuttgarter Zeitung) und Print Wochen- und Monatstitel Gerald Drißner (DATUM). In der Kategorie Fernsehen hat Fritz Ofner (ZDF/3sat), in der Kategorie Hörfunk Tina Hüttl (Deutschlandradio Kultur) und in der Kategorie Internet Michael Hauri ( www.2470media.eu ) einen ersten Preis erhalten.

Die Gastrede von Benjamin von Stuckrad-Barre war launig und sorgte für gute Stimmung. Er selbst habe noch nie einen Preis gewonnen - nicht mal beim Skifahren oder beim Go-Kart-Rennen wie die dekorierten Österreicher Drißner und Ofner. Stuckrad-Barre berichtete zum Vergnügen der Gäste deshalb von seinem bislang einzigen Triumph, einmal für den Henri-Nannen-Preis nominiert gewesen zu sein.

Die Reportagen der Konkurrenten hätten damals von einem Afrikaner auf der Flucht gehandelt, sagt Stuckrad-Barre, und von einem, der Pfandflaschen aus Papierkörben gefischt habe. "Mein Text", so erinnert sich der 36-Jährige mit finsterem Blick, "handelte von Klaus Wowereit - war also eine Mischung aus beidem." Das brachte die Gesellschaft in Schwung, zumal sich der Laudator ironisch-witzig denen zuwandte, die leer ausgingen. "Nehmen Sie diese Energie mit", rief er ihnen zu. "Nicht-Gewinnen ist gut! Nicht-Gewinnen ist normal! Gewinnen kann träge machen!"

Bleibt nachzutragen, dass Preisgeld von 54 000 Euro ausgeschüttet wurde und dass die Ausschreibung für den 21. Axel-Springer-Preis im Herbst beginnt. Bemerkenswert, möchte man sagen.