Flötist Emmanuel Pahud und Klarinettist Paul Meyer gastieren heute mit Arnold Schönberg in der Laeiszhalle

Laeiszhalle. Wenn eine klassische All-Star-Combo gemeinsam auf Tour geht, könnte man leicht kommerzielle Beweggründe vermuten. So nach dem Motto: Absahnen mit berühmten Klassikern von Vivaldi und Co. Wäre ja nicht das erste Mal. Aber weit gefehlt. Bei dem Projekt "Emmanuel Pahud & Freunde" geht es tatsächlich in erster Linie um die Musik. Um anspruchsvolle Musik. Die handverlesene Truppe mit Weltklassebläsern wie dem Flötisten Emmanuel Pahud und dem Klarinettisten Paul Meyer hat sich gerade keine eingängige Schnulli-Bulli-Ohrwurmparade ausgesucht, sondern einige echte Brocken im Gepäck. Aus der Abteilung Klassik für Fortgeschrittene.

Hauptwerk des Programms ist die Kammersinfonie von Arnold Schönberg von 1906, in einer Bearbeitung seines Schülers Anton Webern. Ein hochkomplexes Stück, das an die Musik des 19. Jahrhunderts anknüpft. "Es klingt sehr spätromantisch oder fast schon überromantisch", sagt Klarinettist Paul Meyer, "und es führt die Tradition konsequent weiter. Schönberg treibt die dichte motivische Vernetzung, die Brahms begonnen hat, noch mehr auf die Spitze. Es ist wirklich total genial!"

Die Webern-Bearbeitung komprimiert das ohnehin sehr konzentrierte musikalische Geschehen der Kammersinfonie auf eine Quintettbesetzung mit Bläsern, Streichern und Klavier. Diese Mischung stellt hohe Anforderungen an die Interpreten, wie Meyer betont. "Einerseits ist es natürlich wichtig, dass jede einzelne Stimme klar herauskommt. Dafür sind die verschiedenen Farben der fünf Instrumente hilfreich. Andererseits ist es aber für uns schwerer, klanglich zu einer Einheit zu verschmelzen als bei einem Streichquartett. Da müssen wir sehr genau aufeinander hören und das Ensemble gut balancieren."

Schönbergs Kammersinfonie markiert den Übergang zwischen Romantik und Moderne, zwischen tonaler Harmonik und atonalen Strukturen. Sie ist ein Meilenstein der Musikgeschichte - ebenso wie die Vier Stücke op. 5 von Alban Berg. Zumindest aus Sicht eines Holzbläsers, meint Paul Meyer. "Ich denke schon, dass es das erste moderne Stück für Klarinette ist. Berg schreibt zum Beispiel extreme dynamische Angaben, wie ein vierfaches oder sogar fünffaches Pianissimo, das gab es vorher nicht. Er setzt auch besondere Effekte ein. Zum Beispiel die Flatterzunge. Oder die Resonanzwirkung des Klaviers: Manchmal spielt der Pianist tiefe Akkorde und hält dabei das Pedal, damit die Klarinettentöne in den Saiten nachschwingen. Das waren damals ganz neue Ideen, und die sind heute immer noch sehr aufregend. Dadurch schafft Berg in den kurzen Miniaturen eine starke Atmosphäre."

Die Stücke von Berg und Schönberg sind der historische Zielpunkt des Abends. Sie werden durch wenig bekannte Werke weiterer Wiener Komponisten ergänzt: Der Geiger Guy Braunstein spielt mit dem Pianisten Eric Le Sage und dem Cellisten Zvi Plesser Korngolds Klaviertrio op. 1; vor der Pause erklingt unter anderem das Klarinettentrio von Alexander Zemlinsky, Schönbergs Lehrer und Schwager. So fügen sich die einzelnen Stationen zu einem kammermusikalischen Kurztrip durch die Wiener Musikgeschichte, die bei einem Haydn-Trio und Schuberts Variationen über das Lied "Trockne Blumen" für Flöte und Klavier beginnt.

Eine spannende Zeitreise, meint Meyer. "Sie gibt uns die Möglichkeit, die Entwicklung in einer der wichtigsten Kulturmetropolen zu beobachten. Wien war ja um 1900 nicht nur das musikalische Zentrum Europas. Denken Sie an die Malerei, an die Architektur, aber auch an Sigmund Freud. Mit dem Programm wollen wir eine Ahnung von diesem besonderen Aufbruchsgeist vermitteln, der auch in der Musik spürbar ist und in Schönbergs Kammersinfonie kulminiert."

Da haben sich Meyer und seine Kollegen einiges vorgenommen. Das Pensum ist für Interpreten und Hörer gleichermaßen anspruchsvoll - macht aber auch einen Riesenspaß, wie der Klarinettist betont.

"Wenn man sich auf die Musik einlässt und wirklich zuhört, dann ist sie ein echter Genuss. Wer weiß, vielleicht wird Schönberg in zehn bis zwanzig Jahren genauso beliebt wie Brahms heute? Man muss sie einfach hören, hören, hören."

Kammermusik aus Wien mit Paul Meyer (Klarinette) Emmanuel Pahud (Flöte) u. a., Mi 4.5., 20.00, Laeiszhalle (Kleiner Saal), Tickets (11,- bis 38,-) unter T. 35 76 66 66