Benjamin Britten und Dmitri Schostakowitsch in der Laeiszhalle

Hamburg. Es ist eine schöne Tradition, dass die großen Sinfonieorchester nicht immer nur internationale Stars bei Solokonzerten begleiten, sondern auch mal ihre Konzertmeister. Denen fällt dann die Aufgabe zu, entlegeneres Repertoire ans Bühnenlicht zu holen. Entlegeneres - und nicht selten teuflisch Schweres, wie im Falle des Violinkonzerts von Benjamin Britten aus dem Jahre 1939, das Stefan Wagner und das NDR Sinfonieorchester unter der Leitung von James Conlon gerade in der Laeiszhalle aufgeführt haben.

Es braucht schon einen so eminent souveränen, lockeren Geiger wie Wagner, um bei der Häufung von spieltechnischen Gemeinheiten wie Doppelgriff-Flageoletts, Oktavgängen oder Läufen im Tempo von Kolibriflügelschlägen keine Fehler zu machen. Über den letzten Zweifel erhaben war auch bei Wagner beileibe nicht alles - gerade im ersten Satz klang noch manches vernuschelt, nicht pieksauber oder etwas fest im Vibrato. Doch hatte der Geiger so viel zu erzählen, dass die Leute irgendwann sogar das Husten einstellten.

Mochte auch das Tutti Wagner manchmal übertönen oder hin und wieder nicht ganz mit ihm zusammen sein, insgesamt hielt Conlon den riesigen Orchestersatz wunderbar transparent und agil. Die musikalischen Gedanken, die oft mehrere Richtungen zugleich einschlugen, traten plastisch hervor. Da klang mal Mahler durch und dann wieder Filmmusik, und das prägende Quartmotiv der Bässe kehrte in unzählbaren Nuancen zwischen pastoral und martialisch wieder. Es war förmlich mit Händen zu greifen, wie Britten das Kriegsgrollen ins Absurde kippen ließ.

Gegen die Komplexität des Violinkonzerts nahm sich die Faktur der Fünften Sinfonie von Schostakowitsch geradezu übersichtlich aus. Auch diese Musik barst vor Anspielungen, vor Bekenntnissen, vor scheinbar eindeutigen Gesten, die der Komponist ironisierte oder umdeutete. Vor dem inneren Auge spielten sich Szenen ab wie auf der Opernbühne, rasselten Schlachten, trafen sich Prinz und Prinzessin. Dass die Groteske, diese Fratze der Verzweiflung, durchschimmerte, dafür sorgte Conlons klares Dirigat: Er schärfte die Kontraste, phrasierte mit Atem und sprachnaher Artikulation.