Die Goldberg-Variationen in der spannenden Deutung einer jungen Pianistin

Hamburg. Dass Bachs Goldberg-Variationen ein schwieriger Brocken sind, weiß jeder Pianist. Nicht nur gilt es, jede der 30 Veränderungen des Themas als eigenes kleines Kunstwerk auszugestalten - auch will jede dieser Perlen ihren Platz im großen Bogen des gesamten Werks ihren Platz finden.

Die gerade mal 20 Jahre alte Pianistin Annika Treutler machte sich im Steinway-Haus auf diesen langen und gefährlichen Weg. Ihr Konzept: Alle Stimmen laufen gleichberechtigt nebeneinander, queren einander, konkurrieren, beißen sich auch manchmal. Wo andere versuchen, die jeweiligen Einsätze des Themas in den Kanons herauszuheben auf Kosten der übrigen Stimmen, besteht Treutler darauf, dass das Thema es aushalten muss, auch mal heftig konterkariert zu werden.

Dieses gleichwertige Nebeneinander führt zu hoch spannenden Klangerlebnissen, die gerade in den flächigen Überlagerungen der Stimmen die absolut kompromisslose Modernität von Bachs Tonsprache vorführen. Gesteigert wurde dieser Eindruck noch durch ein enormes Tempo, dass die Interpretin ausgerechnet in den extrem virtuosen Variationen an den Tag legt.

Von Anfang an ging sie dabei bewusst ein hohes Risiko ein und spielte nicht in erster Linie auf Sicherheit, sondern stellte ihre Idee des Werks in den Vordergrund. Da blieb bei den vertrackten Linienführungen des späteren Thomaskantors schon mal das eine oder andere auf der Strecke.

Der Eindruck am Ende: Hier waren schon deutlich die Konturen einer ganz eigenständigen Bach-Auffassung zu erkennen. Daran wird Annika Treutler ab jetzt immer neu arbeiten - ein Leben lang.